Bator, Joanna
als wollten die Pflanzen die
Jahre des Hindämmerns abschütteln, oder als wüssten sie, dass ihnen nicht viel
Zeit blieb. Um Gurken für den Salat zu ernten, musste man sie im Dickicht der
Dahlien suchen, die kindskopfgroße Blüten trugen, und wenn man die
Gurkentriebe zwischen den Blumenstengeln fand, entdeckte man daran übergroße
Gurken mit rosig angehauchtem Fruchtfleisch, das nach Melonen schmeckte. Man
brauchte beide Hände, um die langen, makellos geraden, duftenden Möhren aus dem
Boden zu ziehen. Wilder Wein umrankte Zofias Holzhaus, schnürte es zusammen
wie ein Paket und bewahrte es davor auseinanderzubrechen. Die Triebe drangen
durch die Fensterritzen bis ins Haus, wucherten hinein, und ihre blassgrünen
Blätter überraschten Dominika in Schubladen mit Bettwäsche oder den Armein von
Kleidung, die selten getragen wurde.
Großmutter und
Enkelin lernten, sich über banale Dinge auszutauschen, als unterhielten sie
sich über gewichtige Themen, und die Stärke dieser Verständigung lag mehr in
Gesten und Intonation als in den Sätzen selbst, die die Funktion austauschbarer
Verpackungen hatten. Sie gingen in den Wald, der direkt hinter dem Garten
anfing, um Kiefernreisig zum Feueranzünden zu sammeln, oder weiter, noch über
die Himbeerbüsche hinaus, die das Kreuz und den Stein umwucherten, auf dem
unter den siebenundfünfzig Namen auch Strak, Adam und Jadwiga stand. Selten
bekamen Großmutter und Enkelin Besuch. Wer am häufigsten kam, war Janek Kos,
der ihnen einen Korb Pilze oder Brombeeren brachte und einen Augenblick an der
Gartenpforte stehenblieb, ohne sich jemals direkt an Dominika zu wenden, als
sei sie eine der Blumen im verrückten Garten ihrer Großmutter. Wenn er nichts
für Zofia hatte, kam er nicht einmal bis ans Gartentor, sondern machte am Zaun
halt. Er grüßte mit erhobener Hand und blieb eine Zeitlang schweigend stehen,
Dominika sah ihn sogar nachts, eine einsame, reglose Gestalt, die ins Dunkel
starrte.
Zofia und ihre
Enkelin schauten nur gelegentlich bei Frau Gorgöl vorbei, einer einsamen
scheuen Greisin in Zofias Alter, die ihr künstliches Gebiss an einer Schnur um
den Hals trug und wie mit Mausfell überzogen wirkte. Man musste sich sehr
vorsehen, um sie nicht zu erschrecken, wenn auch nur ein Löffel zu Boden fiel,
sprang sie auf, griff sich ans Herz und sagte: Was hab ich mich erschrocken!
Sie servierte ihnen Tee in schartigen Gläsern und Regenbogenkuchen, der schon
mitten auf dem Tisch prangte, ein fröhlicher Dorfkuchen mit Kreme in fünf
Farben, so süß, dass es an den Zähnen wehtat, und offensichtlich zu ihren
Ehren angefertigt. Sie aßen je ein Stück und ließen sich auch noch nachlegen.
Umso erstaunter
waren sie, als eines Dienstagnachmittags, sie saßen unter dem Nussbaum -
Dominika mit einem Kranz aus Kamillenblüten auf dem Kopf, die Großmutter in
einem alten Strohhut - und entkernten Kirschen für die Marmelade, ein Auto vor
ihrem Haus hielt und der Fahrer von der Gartenpforte her rief: Frau Zofia
Maslak? Das Tschilpen der Schwalben ließ ein Gewitter erwarten, doch noch
tropfte die Sonne wie flüssiges Glas, und man musste blinzeln, um den untersetzten
Mann zu erkennen, der eine Schultertasche trug. Zofia musterte das
Allerweltsgesicht des Mannes, das aussah wie eine von Modraczeks Kartoffeln,
und nahm die Schweißflecken auf dem karierten Hemd wahr und dachte, wie wenig
er doch dem Ausländer glich, der vor über zwanzig Jahren ebenso unerwartet und
zu dem gleichen Zeitpunkt erschienen war. Sicher hatte er ein
Allerweltsanliegen, höchstens würde sie ein paar Groschen für dies oder jenes
auslegen müssen. Oder ihn zum Teufel jagen wie dieses junge Paar mit dem
Fotoapparat im letzten Frühjahr, die hatten gefragt, ob Zofia nicht ihr Haus
verkaufen wollte, woraufhin sie sie mit dem Besen in die Flucht geschlagen
hatte, dass sie bestimmt nicht wiederkommen würden. Diese städtischen
Scheißer. Der Unbekannte war ein Historiker namens Marek Czerwihski, er gab
Zofia eine Visitenkarte, die sie unbeholfen in die Schürzentasche steckte, weil
sie nicht gewöhnt war, dass man ihr wie einem Mann so ernst die Hand
schüttelte, und dann auch noch diese Visitenkarte, weiß der Teufel, wie man
sich dann verhalten muss und was man mit diesem Stückchen Papier machen sollte.
Er war nicht
gekommen, um Zofia zum Verkauf ihres Hauses zu überreden, da konnte sie ganz
beruhigt sein, er hatte ein ganz anderes wichtiges Anliegen. Der Besucher ließ
sich gegenüber der
Weitere Kostenlose Bücher