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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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sie merkte, dass
diese Antwort dumm und grob klang. Ihre Großmutter ist eine sehr mutige Frau,
sagte er mit einem Blick auf die Enkelin. Ihre Großmutter ist eine Heldin. So
große Worte! »Mut« und »Heldin« waren Worte, die Zofia in Erstaunen versetzten.
Ich hab ihn aus Mitleid aufgenommen, wer wird denn einen kranken Menschen auf
der Schwelle liegenlassen, Jude hin, Jude her, erklärte Zofia unbeholfen. Erst
die Tatsache, dass im Namen eines jeden, der einen Juden gerettet hatte, in
Israel ein Olivenbaum gepflanzt wurde, sprach ihre Phantasie an. Ein Bäumchen,
das ist was, erst recht eins, das tausend Jahre und noch länger lebt. Nur
schade, dass es aus Zalesie so eine Weltreise ist, sie wird doch nicht auf ihre
alten Tage in der Weltgeschichte herumfahren, auch nicht, wenn sie es bezahlt
bekommt. Und in ein Flugzeug würde sie auf gar keinen Fall steigen! Marek
Czerwihski ließ Zofia zwei Fotos da, ein kleineres von Ignacy, noch fast
genauso mager wie damals, aber mit schlohweißem Haar, und ein größeres, auf dem
derselbe Ignacy mit seiner Familie zu sehen war, mit seiner Ehefrau in einem
eleganten Kleid und Sonnenbrille, seiner Tochter und den beiden Söhnen. Der
größere und ältere der beiden war der Ausländer, der einmal hier unter diesem
Walnussbaum gesessen und Kirschen mit Zucker gegessen hatte. Der jüngere, der
dem Vater viel ähnlicher sah, hatte Augen und Mund von ihm, und die Tochter sah
aus wie eine ältere und aufpolierte Version von Dominika. Als der
Überraschungsgast durch das Gartentor verschwunden war, blieben Großmutter und
Enkeltochter am Tisch sitzen und hielten sich dort schweigend bei der Hand, bis
die ersten Regentropfen in den Blättern des Walnussbaums raschelten.
    In dieser Nacht
las Dominika die drei Briefe, die ihr Großvater Ignacy ihrer Großmutter
geschrieben hatte. Sie starrte auf Ruth, die ihr so ähnlich sah, und
betrachtete den Umriss des Hauses, in dessen Fenstern sich die kalifornische
Sonne spiegelte, und knabberte sich die Fingernägel ab, denn auf dem Foto der
Familie Goldbaum fand sie etwas, das es nicht einmal im Album der Alten aus dem
Zug gegeben hatte. Ignacys Tochter könnte ihre ältere Schwester sein und war
Jadzias Halbschwester. Dominika stellte ihre neue Familie auf und suchte ihren
eigenen Platz darin. Zwischen ihr und dieser Familie, zu der sie gehörte, stand
Jadzia, und an ihren Tränen würgend, versuchte Dominika, sich ihre Mutter im
dunkelrosa Bouclekostüm aus der Werkstatt von Modesta Cwiek auf Piaskowa Göra
zwischen David und Joshua vorzustellen.
    Das hatte
Jadzia noch gefehlt! Warum wühlst du so gern in der Vergangenheit, Kind? hatte
Jadzia ihre Tochter gefragt, sobald sie anfing, ihr von den Tanten und Cousinen
im Album der Alten aus dem Zug zu erzählen. Jadzia reichten die
Familiengeschichten über die Großeltern Strak, die Müllersleute waren, und den
Vater namens Maciek, der aus dem Krieg zurückgekehrt war und tragisch umkam,
bevor sie geboren wurde. An der Pelcznica hatte man ihn gefunden, in seiner
Soldatenuniform, er sah wunderschön aus, als ob er schliefe, beschneit mit
Apfelblüten, Schneesternen und Herbstlaub in lauter Goldtönen. Die Geschichte
von Maciek, der außer dieser Legende nichts hinterlassen hatte, wurde von
Jadzia auch noch um das außergewöhnliche Heldentum bereichert, für das er im
Krieg Berühmtheit erlangt hatte. Der verpasste jungenhafte Vater, nur von
einem Foto auf Zofias Hausaltärchen bekannt und längst schon jünger als seine
Tochter, wurde mit den Jahren immer reicher an Würden und Medaillen. Dein
Großvater, erzählte sie Dominika, dein Großvater Maciek war ein echter Held und
hat in einer Schlacht einen deutschen Offizier und seine beiden Adjutanten mit
bloßen Händen umgebrachr und den Hund noch dazu, einen rasenden deutschen
Schäferhund, den hat er erwürgt, dass die Nackenknochen nur so krachten,
krix-krax. Die Begleitumstände änderten sich, doch Großvater Macieks Heldenmut
erstrahlte jedes Mal in vollem Glanz, während der deutsche Offizier ein Schuft
und Feigling war, der sich vor Angst in die Hosen schiss, bevor er seinen
letzten Atemzug tat. Jadzias längst verstorbene Großeltern väterlicherseits
wurden in ihren Erzählungen auf ein Paar liebenswerter Alterchen in einer Kate
am Waldrand reduziert, auf die drängenden Fragen der Tochter fügte sie noch
einen über die Maßen üppigen lilafarbenen Fliederbusch hinzu, der vor ihren
Fenstern stand. Von da aus war es für Jadzias

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