Bator, Joanna
Nummer
zugeteilt bekommen. Und wen, fragte sie rhetorisch, wen sollte ich auch anrufen
und auf wessen Anrufe warten, wo ich doch sowieso einsam und verlassen in
diesem Storchennest enden werde. Deshalb rief Dominika zu vorher verabredeten
Zeiten aus der Telefonzelle im Pfarrhaus an, und wenn die Haushälterin abnahm,
stellte sie sich als seine Mutter, Leokadia Wawrzyniak vor. In chiffrierter
Sprache verabredeten sie, wo und wann sie sich treffen würden, und die
misstrauische Haushälterin lauschte aus der Pfarrhausküche.
Kaplan Adas
betrat den Babel durch einen der fünfzehn Eingänge und fuhr mit dem Fahrstuhl
auf die Terrasse, wo Dominika auf ihn wartete. Auf dem obersten Stockwerk eines
jeden Treppenaufgangs war ein Trockenboden, wo, wie der Name sagt, Wäsche zum
Trocknen aufgehängt werden sollte, doch das tat niemand, weil die dort aufgehängte
Wäsche den Besitzer wechselte, bevor sie trocken war. Dort hatten die
Drogensüchtigen und Säufer, verliebte Paare und auch unverliebte - der
Erstbeste ist gut genug - ihre Eckchen. Aufgescheucht vom Erscheinen des
Geistlichen, stoben sie auseinander, Türen knallten und umgestoßene Flaschen
klirrten, während Dominika, die Lippen strahlend von ihrem ersten Lippenglanz mit
Bananengeschmack, aus dem Dunkel auftauchte. Dort hatten sie ein wenig Zeit
für ein paar geflüsterte Worte, Küsse, Berührungen, die keine Linderung
brachren, und bald schon säte jemand im Babel den Samen des Gerüchts, das in
kochdunstigen Küchen keimte, in Badezimmern Wurzeln schlug und wuchs, giftige
Triebe aus Ritzen und Abflussrohren streckte. Vielleicht hatte die Lepka es in
Umlauf gebracht, die sich jetzt mit einem rothaarigen Klempner aus dem dritten
Treppenaufgang dort traf, vielleicht hatte einer der Drogensüchtigen erzählt,
er habe etwas gesehen, was er nicht erwartet hätte, aber am wahrscheinlichsten
war doch Jagienka Pasiak, in der Boshaftigkeit und Eifersucht die
Siedetemperatur überschritten hatten und nun zischend austraten. In den Fahrstühlen
und auf den Fluren, zwischen Nachrichten und Abendfilm, beim Totschlagen von
Zeit, die keiner brauchte, erntete man, was gesät worden war.
Die Neuigkeit
drang auch an Jadzias Ohr, die mit der ihr eigenen Plumpheit fragte: Weißt du
vielleicht, Mädelchen, mit wem Kaplan Adas neuerdings auf der Terrasse
herumhurt? Arme Jadzia, selbst eine in Fragen der Mütterlichkeit so
unbeholfene Person wie sie konnte den Schmerz auf dem Gesicht der Tochter nur
auf eine Weise deuten. Dominika antwortete ihrer Mutter wie eine erwachsene
Frau. Ich weiß nicht, ob er herumhurt, aber es ist möglich, dass er sich in
jemand verliebt hat. Du willst deine alte Mutter umbringen! heulte Jadzia auf.
Sieh nur! Sie breitete die Arme aus und kreuzigte sich an die Tür, du hast mich
umgebracht! Jadzia ließ sich auf die Couch gleiten - du brichst mir das Herz!
Diese Schande werde ich nicht überleben. Umsonst hat sich deine Mutter abgemüht,
umsonst sich geopfert, dir alles auf dem Tablett serviert, und das mit einer
kranken Hand. Alles hast du versaut, hast dir das Leben in Scherben
geschissen. Wie soll ich jetzt den Leuten in die Augen sehen! Diese Iwona, die
ist normal mit Mann und Kind, aber du mit deinen Spinnereien, bei dir muss
immer alles verkehrt herum sein. Immer der Mutter zuwider. Ein Kerl will immer
nur das eine, ob er Hosen oder eine Soutane anhat, aber wenn die Hündin nicht
will, wird der Hund nichts kriegen. Genau, sagte Dominika, deren Lippen ganz
weiß geworden waren, und bekam eine Ohrfeige mit der gesunden Hand. Du Hure.
Jetzt war nichts mehr zu machen.
Im März pissten
die schmutzigen Eiszapfen, die sich am Dach des Babel festgesaugt hatten, den
Leuten auf den Kopf, der Schnee schuppte sich von den Hügeln wie Haut, auf den
Grünflächen kamen die vergammelnden Hundehaufen zum Vorschein, und Dominika
lief durch den Busch im roten Kleid und Armeestiefeln, und niemand hätte sie
aufhalten können. Die Frauen in Walbrzych nahmen die Pelzkappen ab und
schüttelten ihr kraus dauergewelltes Vörfrühlingshaar aus. Onkel Kazik
eröffnete auf Piaskowa Göra die erste legale Wechselstube (ein Dollar für
dreitausend polnische Zloty). Dominika hing bei Episoden von Reich und Arm ihren
Tagträumen nach, in denen sie die da auf dem Bildschirm war und Adas der
Senator Rudy Jordache. Dann fiel ihr ein Ort ein, der größere Intimität
versprach als die Terrasse oder der Friedhof.
Das von den
Deutschen hinterlassene Palmenhaus erhob sich am Rand der
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