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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Pasiak, Edytka Kowalik und Irena
Chloryk auf der Terrasse des Babel zwei anderen Mädchen etwas erzählt, wovon
diese die Augen so weit aufrissen wie Klapperschlangen, bevor sie zustoßen.
    Für Jagienka
Pasiak gab es nichts Schlimmeres als \J die Zahnsteinentfernung, die ihr Vater mit einer Rasierklinge an ihr
vornahm. Es war viel schlimmer als das Knien auf trockenen Erbsen. Auch wenn
das eine wie das andere nur zu ihrem Wohl war, in dem Augenblick, in dem sie
die Schmerzen hatte, war es in weiter Ferne. Alle ein, zwei Monate rief ihr
Vater: Komm, zeig mir die Zähne, dann musste sie sich zwischen seine Beine
knien und den Mund weit öffnen. Der Vater schaute ihr ins Innere, dann war sie
sein, von innen und von außen, er drehte ihren Kopf hierhin und dorthin und
befand: Schon wieder Stein angesetzt. Er griff nach der Rasierklinge, die er
längs entzwei gebrochen hatte, so war sie handlicher. Halt bloß die Zunge
still! befahl er warnend, und sie fühlte sich am Speichel würgen, den sie nicht
schlucken konnte. Das Blut schmeckte nach Eisen, nach Tatar, die Tränen nach
Salz. Danach träumte sie, dass sie den Mund voller Rasierklingen hatte und sie
nicht ausspucken konnte, weil sie zwischen den Zähnen steckten und darauf
warteten, ihre Zunge in Scheibchen zu schneiden.
    Zum achtzehnten
Geburtstag bekam Jagienka von ihrem Vater einen gebrauchten kleinen Fiat, mit
dem sie zur Schule fahren konnte, und sie wusste, dass im Leben etwas
Besonderes auf sie wartete, sie wusste nur noch nicht, was. Ihre Zähne waren
weiß und ohne jeden Zahnstein, ihr Körper rosig, verschlossen und kalt wie eine
Puppe. Ab und zu sagte sie bei einer Schulfeier ein Gedicht auf, sie sah hübsch
aus und spürte, wie sich etwas in ihr vorbereitete, was nur das bisher
unentdeckte künstlerische Talent sein konnte. Kaplan Adas müsste das Besondere
an ihr sofort bemerkt haben, denn sie standen auf ähnlichem Niveau, was ihre
Außergewöhnlichkeit betraf. Er hätte sich direkt auf sie stürzen und sie wie
ein Schatzkästlein aufschließen müssen, dann wäre ihre ganze Außergewöhnlichkeit
daraus aufgestiegen wie ein Schwarm Schmetterlinge.
    Ganz anders
lagen die Dinge hingegen mit Zbyszek Lepki. Ein so besonderes Mädchen wie
Jagienka Pasiak konnte einer wie Zbyszek Lepki nur deshalb haben, weil sie sich
erniedrigte und ihn erhöhte. Sie sorgt dafür, dass sich mindestens einmal in
der Woche die Gelegenheit zu einer weiteren Erniedrigung und Erhöhung bietet,
und sie gibt Zbyszek zu verstehen, was er mit ihrer Person verlieren kann.
Jagienka wusste nicht, dass Zbyszek Lepki vor allem immer die Frauen haben
wollte, die er gerade nicht hatte. Sofort nachdem er es mit Jagienka gemacht
hatte, dachte er an Iwona und ihre weißblonden Puppenlocken. Er streichelte den
Arm des Mädchens, das auf seiner Brust lag, aber das Streicheln galt schon
einer anderen, und er überlegte, wie lange er noch so würde liegen müssen, bis
er aufstehen und das Hotel Sudeten verlassen konnte. Wenn er mit seiner jungen
Frau vor dem Fernseher saß und selbstgemachte Fritten mit Ketchup aß, dachte er
wiederum, er würde doch gern ein bisschen ausgehen, weg von zu Hause und den Fritten,
vielleicht zu Jagienka, die nun einmal zur Verfügung war. Jagienka war wie Bier
und ein polnischer Fußballsieg, wie der Schrei Tooor! Iwona war eher wie Balsam
für die Seele, wie Stille, wie ein Bier draußen im Schrebergarten, wenn es
Frühling wird. Jagienka kam immer angerannt, weil sie sich verspätete, sodass
er eher ärgerlich war als erwartungsvoll, Jagienka sagte: Schnell, los, schlag
mich, aber fest, so fest du kannst, man darf nur nachher nichts davon sehen.
Iwona zupfte ihm die Haut von den sonnenverbrannten Schultern und srand sogar
mitten in der Nacht auf, um ihm Wurst mit Zwiebeln zu braten, sobald er sagte,
er hätte Lust darauf. Zbyszek wollte sie beide, immer genau die, die er gerade
nicht zur Hand hatte, und beide würde er gerne zurücklassen, wenn er bloß in
den Krieg ziehen könnte, als Berufssoldat. Zuerst waren sie zusammen,
Jagienka, Tochter des Milizkommandanten Sergiusz Pasiak höchstpersönlich, und
er, ihr Freund, der ein paar Mal vor der Polizei abgehauen war, es dann aber
einmal nicht schaffte und danach einen Monat den Hintern in Kräutern baden und
mit Katzenfell umwickeln musste, weil sie ihm mit dem Knüppel so auf die Nieren
geschlagen hatten. Aber das mit den Nieren war halb so schlimm, sie versauten
ihm das Führungszeugnis mit einer Vorstrafe.

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