Bator, Joanna
Deshalb musste Jagienka sich
offiziell von ihm trennen, nachdem der alte Pasiak sie einmal zusammen im
Haustor erwischt hatte. Der ging zu den Lepkis und beschwerte sich, Zbyszek
würde seine Tochter auf Abwege bringen und vom Lernen abhalten, und sie hätten
für ihre Tochter eine andere Laufbahn und eine andere Zukunft geplant als
einen Freund in der Berufsschule. Sie hatten eine herrliche und besondere
Zukunft für sie, maßgeschneidert, sie brauche sich gar nicht den Kopf darüber
zu zerbrechen, denn wenn man älter ist, weiß man besser, woraus das Geld
gemacht ist. Kommandant Pasiak hatte die Absicht, seine von Zbyszek
abgeschleppte Tochter wieder dorthin zu schleppen, wo ihr Platz war, und ging
es nicht mit Güte, so brauchte er Gewalt. Deshalb trug er Uniform und hatte den
Knüppel am Gurt, als er zu den Lepkis ging. Ein sauberes Führungszeugnis, wenn
Zbyszek schwor, die Tochter von Kommandant Pasiak ein für alle Male in Ruhe zu
lassen. Vielleicht hätte Zbyszek sein Wort sogar gehalten, denn er träumte von
einem netten Krieg und einer nagelneuen Kalaschnikow, mit der er zehn Feinde
auf einmal niedermähen konnte, egal ob Neger oder Gelbe. Jagienka aber war
gegen das Einhalten des Versprechens, sie setzte Zbyszek sogar unter Druck. Sie
konnte ihrem Vater zum Beispiel sagen, dass er, Zbyszek, ihr immer noch
nachstellte, sie im Dunkeln am Fahrstuhl schikanierte und ihr die Hand unter
den Rock steckte. Er hatte sie sogar so in den Schenkel gekniffen, dass sie
hier, ja, genau hier, noch einen blauen Fleck hatte. Und wem würde Kommandant
Pasiak wohl glauben? Na, wem wohl?
Bei der Disko
im Genossenschaftshaus auf Piaskowa Göra stand Zbyszek an der Wand und hielt
Ausschau, wen er hier statt Jagienka aufgabeln könnte, blond sollte sie sein,
nicht zu dick, nicht zu dünn, am besten mittel. Da kam Iwona Sledz herein, in
einer neuen Frisur, lockenköpfig wie die Schlagersängerin Urszula mit ihrem
Pusteblumen-Hit, und mit einem Haarband in rosa oder hellblau, so verändert,
dass er sie kaum als seine Nachbarin im Babel erkannte. Später erzählte Iwona
Dominika, Zbyszek Lepki habe nicht nur zweimal langsam mit ihr getanzt, sondern
auch gefragt, ob sie am Samstag Zeit hätte, wenn ja, könnten sie in Der Mann mit der Todeskralle mit Bruce Lee
gehen. Danach lud er Iwona auf eine Baiserkreme ins Cafe Babörka am Markt ein.
Was für ein Glück, dass Iwona sich noch vor der Kreme auf die Zunge gebissen
und Zbyszek nicht gesagt hatte, dass sie Den Mann mit
der Todeskralle schon zweimal gesehen hatte,
denn was hätte er dann von ihr gedacht, und bestimmt hätte er eine andere
eingeladen. Dominika solle sich also nicht verplappern, sonst würde die
sozusagen fertige Zukunft in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus, und jeder
hat ja nur eine Zukunft, mit Ausnahme von ein paar Glückspilzen aus der BeErDe
oder Schauspielern und Schlagersängern. Als sie draußen auf der Treppe standen,
um sich abzukühlen, hatte Zbyszek ihr gesagt, dass sie ihm schon in der Schule
gefallen hatte, denn er mag Blondinen, und er gehe schon lange nicht mehr mit
Jagienka Pasiak. Er sagte auch, dass diese ersten Sünden begraben waren, und
was einmal war und nicht mehr ist, käme auch nicht ins Vorsrrafenregister. Und
auch, dass er sich von Iwona angezogen fühlte, und er wollte wissen, ob sie
sich auch von ihm. Von da an fuhren Iwona und Zbyszek im selben Autobus, denn
sowohl zur Friseurschule als auch zur Mechanikerfachschule fuhr man mit der
Linie null oder fünf. Bald darauf wurde Iwona schwanger, und die
Anziehungskraft ließ etwas nach, sodass man sie mit dem Band der Ehe verknüpfen
und beringen musste. Sie sammelte Kissenüberzüge, Untersetzer, Tellerchen, und
er kniff ein Auge zu und zielte mit dem Finger auf die Spatzen auf der
Fensterbank ihres Ehezimmers. Ehefrau Iwona fürchtete nichts so wie den Krieg,
in den zu ziehen Zbyszek sich immer mehr wünschte. Sie zogen bei Herrn und
Frau Sledz ein, die ihre Tochter zwar Zbyszek zur Frau gegeben hatten, sie
aber samt Schwiegersohn und einem dicken Bauch voll mit den strampelnden
Ärmchen und Beinchen der werdenden Patricia zurückbekamen.
Ein solches
Leben war mit Sicherheit weit unter dem, was auf Jagienka Pasiak unter dem
Weihnachtsbaum wartete. Es war ein gewöhnliches Leben, fernab von ihren
Ambitionen, die allerdings so hoch angesiedelt waren, dass Jagienka selbst sie
längst aus den Augen verloren hatte. Das gab sie Zbyszek zu verstehen, doch ob
sein Versrehen auf einem ihren
Weitere Kostenlose Bücher