Bator, Joanna
Stadt zwischen
staatlichen Kartoffeläckern und rachitischen Obstgärten, ein Paradies unter Glas,
noch oder schon unbewohnt, sich selbst überlassen und voll tropischer Pflanzen,
aus denen das Kondenswasser tropfte wie ein ewig nieselnder Monsun. Dort
standen hübsch anzusehende Bäume wie zum Beispiel verwilderte Bananenstauden,
die winzige Früchte hervorbrachten, und Dattelpalmen. Es gab Lianen und
riesige Büschel rhabarberartiger Blätter, Blumenkelche mit aufgestülpten
Lippen, faulende, mit hellroten Gräsern bewachsene Stämme und Wassertümpel mit
grüner Entengrütze, aus der von Zeit zu Zeit große Luftblasen stiegen, als
atme ein Tier langsam und regelmäßig am Grund. Morsche Bänke standen hinter
Vorhängen aus dem Engelshaar exotischer Weidenbäume, auf den Steinwänden eines
dunklen Tunnels wuchs hellblau schimmerndes Moos, und der mit Feuchtigkeit
vollgesogene Holzboden gab weich unter ihren Schritten nach. Den Zugang verwehrte
ein Schild mit der Aufschrift »Zutritt verboten. Einsturzgefahr«. Im Winter
machten die umliegenden Grundschulen Ausflüge zum Palmenhaus, gerne kamen auch
Deutsche aus dem einen oder anderen Castrop-Rauxel, von denen manche sich noch
daran erinnerten, wie das Palmenhaus vor vielen Jahren ausgesehen hatte, kurz
nach seiner Errichtung, als das spiegelblanke Glas so strahlte, dass es die
Augen blendete. In lärmenden Gruppen schlugen sie sich durchs Dickicht,
zertraten die abgefallenen Früchte und warfen Münzen in die Wassertümpel,
damit sie wiederkommen würden, und wenn nicht sie, so ihre Enkel, um in diesem
modernden, wirklich sehr unordentlich tropischen Miststall Ordnung zu machen,
und sie wussten nicht, dass die Studenten der Breslauer
Landwirtschaftshochschule, die hier ihr Berufspraktikum machten, alle Münzen
bis auf den letzten Pfennig herausholten, sobald die Deutschen weg waren.
Dominika und
Kaplan Adas verabredeten sich am Rand von Piaskowa Göra, dort wartete sie auf
ihn und sein Moped. In der irrigen Annahme, sie könnten die Klatschbasen
überlisten, rasten sie zum Palmenhaus, um gleich, wenn geöffnet wurde, dort zu
sein. Ihnen folgte ein kleiner Fiat, der in der Eisenbahnunterführung in
Szczawienko fast ins Schleudern kam. Märzschnee fiel in großen Flocken wie
Wattefetzen und verwischte die Umrisse der beiden Mädchengestalten, die sich
hinter den Zeitungskiosk duckten. Dominika und Adas gingen mit zehn Minuten
Abstand ins Palmenhaus, beide mit schuldbewusst gesenktem Blick. Die
Tausend-Zloty-Eintrittskarten zur Glückseligkeit hatten sie schon in den
Händen zerknüllt, als sie sich in der feuchten Hitze und dem Geruch nach feuchter
Erde fanden und verliebt und verschwitzt Jacken und Pullover abstreiften. Außer
ihnen war noch niemand da. Dominika verließ als erste den Besucherpfad und zog
Kaplan Adas unter eine Bananenpalme, die sich unter der Last eines auf ihr
lehnenden Baums mit regenschirmgroßen Blättern krümmte. Dort lutschten sie
gemeinsam das letzte Mentosbonbon mit Erdbeergeschmack aus Dominikas Tasche,
indem sie die glatte Pastille abwechselnd einander in den Mund schoben. Sie
küssten sich und zertraten Blumen aus allen Gegenden der Welt, die sie einst
vielleicht bereisen würden oder auch nicht, stießen an Baumstämme, die rauh,
schorfig oder glasglatt waren, zerknickten Zweige und fielen fast in einen
Tümpel, unter dessen Entengrützenschleier noch ein rostiger Pfennig vom letzten
deutschen Rentnerausflug lag. Die Gefahr, in dem Tunnel mit Leuchtmoos auszurutschen,
machte ihnen keine Angst, denn Kaplan Adas hatte längst entschieden, dass das,
was ihm geschah, ein Abrutschen in den Abgrund war, während Dominika meinte, jede
Liebe sei Schlinge und Abgrund, sechshundertzweiundzwanzig Stürze des Bung und
die Bretter zwischen den Häusern, auf denen Talita balanciert, denn sie war
achtzehn Jahre alt und las Stachura, Witkacy und Cortäzar. Sie fielen auf den
weichen Boden, wo sie sich aus ihren beiden Jacken ein perfektes Lager
machten. Zuallerletzt nahm Kaplan Adas den Kollar ab, aber Dominika schaffte es
nicht mehr bis zu den Armeestiefeln. Kurz darauf beugte er sich über Dominika
wie in seinem Traum, sein magerer Bauch berührte ihren mageren Bauch, seine
rosigen flachen Brustwarzen ihre dunklen und aufgerichteten, und mit einer
Entschlossenheit, deren Beben er bis ins Rückenmark spürte, zeigte sie ihm den
Weg. Während sie Hand in Hand aus dem Palmenhaus liefen und ihr Glück größer
war als ihr Schuldgefühl, hatten Jagienka
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