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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Terrasse vom Babel, gar nackt, entehren sie vor aller Augen
die Heiligkeit? Auf dem Moped, auf dem Friedhof, im Palmenhaus geben sie sich
der Unzucht hin? Im Palmenhaus? Wahrlich, wahrlich im Palmenhaus! Gut, dass sie
zu ihm gekommen ist, ein Glück, dass sie neben ihren Sünden auch fremde gebeichtet
hat, doch er, als der Geistliche, der die Beichte abnimmt, ist unter
strengster Strafe einschließlich Exkommunikation dazu verpflichtet, absolutes
Stillschweigen zu wahren. Doch sicher sei diese Information direkt in Gottes
Ohr gedrungen, und also werde er beten, denn zur Beichte kommen die Menschen im
Hinblick auf Gott und das ewige Leben. Und sie solle nachher zu ihm in die Sakristei
kommen, wo sie sich unbelastet von der Schweigepflicht des Beichtstuhls
unterhalten könnten, vielleicht würden sich die sündigen Seelen noch retten
lassen. Jagienka sieht, dass sie Erfolg gehabt hat, das Wort ist Fleisch
geworden, und eine Woge, dick wie Suppe, trägt sie direkt vor den Altar, wo sie
bebend die ihr aufgetragene Buße aufsagt, und bald glaubt sie selbst an ihre
guten Absichten.
    Von diesem Tag
an setzt Hochwürden Postronek Adas nach, obwohl dieser schwer einzuholen ist,
und jede Unternehmung auf den Spuren des Kaplans endet mit Atemnot. Anstatt
zu einem Gläschen Feigenlikör in den Heiligenviten zu lesen oder seinen
Steingarten zu pflegen, für den er sogar aus Breslau neue Sukkulentensorten
besorgt hat, schleicht er barfuß im Pfarrhaus umher, um zu hören, wenn das
Telefon im Flur klingelt. Er hebt ab, bevor die Haushälterin oder Adas es zum
Telefon schaffen, und auf sein Hallo antwortet eine verblüffte Stille, Adas
hält mitten im Schritt inne und macht ein Gesicht, als hole er tief Luft, um
in ein Eisloch zu tauchen. Nach den Treffen der Katholischen Jugend späht
Hochwürden Postronek durch die Gardinen des Pfarrhauses und sieht Adas mit der
Gitarre auf den Friedhof gehen. Kurze Zeit später läuft ein hochgewachsenes
Mädchen, das sich aus der abziehenden Gruppe Jugendlicher gelöst hat, in
dieselbe Richtung. Ihre Haare leuchten rötlich in der Sonne, sie trägt ein
rotes Kleid, es sieht aus, als hätte sie Flügel, die Kastanien blühen, und der
Weg unter ihren Füßen ist wie beschneit. Hoch würden Postronek sieht auch zwei
andere Gestalten, die ihr folgen, und er erkennt die Tochter von Kommandant
Pasiak. Hochwürden hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, und ein paar
fremde dazu, denn als er jünger war, hat er bei den Beichten nicht geschlafen,
und das Leiden anderer drückte ihn zu Boden, doch von Psychologie versteht er
nichts. Er will Kaplan Adas retten und meint, die Kräfte des Guten und des
Bösen seien in dieser Geschichte klar getrennt. Er überlegt, wer noch auf
seiner, der guten Seite steht. Er ist gleichsam der Schutzengel, der darüber
wacht, dass das Kindlein nicht von dem schmalen Steg stürzt, den es
unaufgefordert betreten hat. Er wartet abends und hört, wie die Haustür leise
geöffnet wird und Adas, der um diese Zeit längst daheim sein und dort bleiben
müsste, hereinschlüpft. Er schnuppert und weiß nicht, woher dieser Geruch nach
feuchter Streu in den Zimmern kommt, wo es vorher nur nach Bohnerwachs und
Schimmel gerochen hat. Leise schlurft er in Filzpantoffeln durch das Pfarrhaus
und wacht über den Schlaf, in dem Adas von Dominika träumt.
    Eines Samstags
im Mai verspätet sich Adas zur Begrüßung seiner Mutter, die wie jeden Monat
einen Korb mit Leckereien bringt, gestopft mit Mutterliebe. Das ist noch nie
vorgekommen. Die Unruhe des alten Priesters nimmt Leokadia mit allen Fasern
ihres Körpers auf, der, mit Millionen Saugnäpfchen der Mutterliebe
ausgestattet, in Abwesenheit ihres einzigen Sohnes nichts aufzusaugen hat. Die
Angst ihres Mannes vor dem Reisen hatte sich im Alter zu einer regelrechten
Agoraphobie ausgewachsen, vom Anlegen der Saugnäpfchen an ihn konnte keine Rede
sein, im Gegenteil, man hatte alle Mühe, ihn abzuschütteln und aus dem Haus zu
kommen; der einzige Vorteil war, dass er keine Fische mehr nach Hause brachte.
    Leokadias ganze
Hoffnung richtete sich auf ihren Sohn, den Kaplan. Sie hatte ihm Seife,
Konfitüren und Küsse gebracht, zwei Paar Unterhosen und Baumwollunterhemden,
die so schwer zu bekommen waren, und drei Gläser mit marinierten Pilzen,
Schneckchen mit Fleckchen. Doch Adas ist immer noch nicht da, der alte Pfarrer
seufzt und verdreht die Augen, sagt etwas von dem Weg, von dem man leicht
abkommen kann, von der Hölle und Sünden des

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