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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Fleisches. Das Tratschfetzchen,
das wie ein verwehtes Bonbonpapierchen bis zu Leokadia nach Breslau geflogen
ist, gewinnt an Gewicht, und Hochwürden Postronek begreift, dass sein wichtigster
Mitstreiter im Kampf um Adas' Seele hier vor ihm sitzt und in einem beigen Polyesterkostüm
schwitzt. Man musste besonnen vorgehen. Zweifellos muss dem, was zwischen Adas
und dieser Person, wie Leokadia das ihr unbekannte Mädchen nennt, vorgeht, ein
Ende gesetzt werden. Es könnte ja noch so weit kommen, dass diese Person
schwanger würde, dann wäre Adas auf immer an sie gebunden. Mutter Leokadia ist
deshalb für sofortiges Eingreifen und bereit, dieses eigenhändig vorzunehmen,
selbst wenn dabei Blut fließen müsste. Sie schüttelt den ondulierten Kopf,
dass die Schuppen rieseln wie Sporen aus dem Hut von einem alten Pilz. Der
alte Priester weiß aus Erfahrung, dass das nicht gelingen wird und rät zu
Vorsicht. In einem selten aufgesuchten Winkel seiner Erinnerung trägt er eine
gewisse Urszula, derentwegen er vor dreißig Jahren aus einem hübschen
Städtchen in Ostpolen nach Walbrzych versetzt wurde. Ihm fällt Dominikas rotes
Kleid ein und der schmelzende Schnee der Kastanienblüten, er fühlt, dass die Mutterliebe
das nicht wird aufwiegen können. Er hat deshalb den Plan, Adas von ihr zu
trennen, indem er ihn auf einen dreimonatigen Studienaufenthalt nach Italien
schickt. Adas träumte doch vom Vatikan! Von all den Museen, den Kirchen! Wenn
man ihn wegholte, ohne ihm eine gleichzeitige Bindung fern von ihr zu geben,
könnte die Trennung nicht vollständig und dauerhaft sein. Leokadia wägt
notwendiges Abwarten und das Risiko einer Schwangerschaft dieser Person gegen
den strahlenden Glanz eines in Italien studierenden Kaplanssohnes ab, womit
sie ihre Nachbarn im Breslauer Mietshaus umhauen könnte. Das Bündnis ist
geschlossen. Im Empfangszimmer des Pfarrhauses wartet Hochwürden Postronek gemeinsam
mit Leokadia Wawrzyniak auf den verlorenen Sohn Adas, und jedes Ticken der Uhr
dringt in beider Körper wie Pfeile.
     
    ***
     
    Während
Dominika und Adam im Palmenhaus saßen und sich ihre Zukunft ausmalten, machte
sich Ignacy Goldbaum auf den Weg in die Vergangenheit. Er stand auf dem
Flughafen LAX und verabschiedete sich von seinen Kindern. In der Tasche hatte
er einen Brief von Zofia, in dem sie ihm riet, sich warm anzuziehen, Sommer
hin, Sommer her, in Zalesie waren die Abende kühl, und von der Pekznica wehte
ein Wind. Er sog den Geruch des Papiers ein, und es schien ihm, als rieche er
den Dachboden und Äpfel. Sie hatten zweimal telefoniert; in der Telefonkabine
auf der Zalesier Post hatte Zofia in den Hörer geschrien, während Ignacy sie
kaum verstehen konnte, und das ganze Dorf hörte mit, wer da aus Amerika die
alte Maslakowa anrief. David, Ignacys ältester Sohn, der seiner verstorbenen
Mutter glich, sagte: Pass nur auf in diesem fernen Polen und vergiss deine
Medikamenre nicht. Dem Jüngeren, Joshua, standen die Tränen in den Augen, und
die Tochter, frischverliebt in einen Mathematiker aus Polen, fiel Ignacy im
letzten Augenblick um den Hals, bevor eine Gummischnur sie zurückriss wie einen
Jojo.
    Das Flugzeug
löste sich vom Boden. Nicht voneinander lösen konnten sich hingegen Dominika
und Adas - die Intensität ihrer Treffen ging inzwischen auf Kosten der Vorsicht.
Dominika würde in ein paar Tagen nach Zalesie fahren, um ihren Großvater
kennenzulernen, und wenn sie zurückkam, würden die Koffer für ein neues Leben
in Warschau gepackt. Jadzia gab sich entrüstet und wollte Ignacy nicht
kennenlernen, seit dem letzten Jahr erklärte sie immer wieder, dass ihr Vater
als Held im Krieg gefallen sei, mit Apfelblüten beschneit hätte er am Ufer der
Pelcznica gelegen, als schliefe er, alle hatten sich gewundert, dass sein
Gesicht gar nicht aufgedunsen war, so frisch hatte er ausgesehen. Einen
anderen Vater brauche sie nicht, besten Dank. Sie nannte Ignacy »diesen Juden
aus Amerika«, und ihrem Unwillen widmete sie ebenso viel Zeit wie Dominika
ihrem Willen, den Großvater zu treffen. Dominikas Bereitwilligkeit und Jadzias
Unwilligkeit waren Pole, die sich anzogen, aufeinanderprallten und auseinanderfuhren,
um einander dann aus sicherer Entfernung wieder entgegenzusausen. Soll Dominika
doch hinfahren, wohin sie will, aber wenn schon, dann soll sie sich von ihrer
besten Seite zeigen und sich diese wilden Haare kämmen. Ein bisschen
herrichten soll sie sich. Und bloß nicht in diesen Männertretern fahren,

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