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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Sanatorium Nr. i Szczawno Zdröj spielte
Grazynka auf den Kochkesseln, schlug im Takt mit den Bratpfannen, und sie
brauchte sich nur zum Einsammeln des schmutzigen Geschirrs aus dem
Durchreichfenster zu lehnen, schon trat ein Strahlen auf die Gesichter der Magengeschwürler,
Nervösen und Hinkenden, als wären sie mit Glanzspray besprüht. Sonntags ging
sie in ihre besten, noch aus Haiinas Werkstatt stammenden Nuttenaufmachungen
gekleidet um die Kurhalle spazieren, denn neue Kleider konnte sie sich nicht
leisten; samstags abends machte sie sich auf zum Dancing im Weißen Saal, und
dort war sie Hans Kalthöffer aufgefallen.
    Hans Kalthöffer
kam jedes Jahr nach Szczawno Zdröj, um seine Gesundheit zu stärken und das Haus
wiederzusehen, das vor dem Krieg seiner Familie gehört hatte. Davon bekam er
neue Magengeschwüre, denn anstatt eines modernen und sauberen
Landwirtschaftsbetriebs herrschten dort Dreck und Sauerei wie bei Hempels unterm Sofa [ Im Original deutsch] . Hans wollte nichts zurückhaben, ganz im
Gegenteil, er wollte helfen, die Hand ausstrecken zur Versöhnung, doch sobald
die dort wohnende Familie seiner ansichtig wurde, ließen sie den Hund von der
Kette, verbarrikadierten sich im Haus, stellten sich hinter die Gardinen und
behielten den Fritz von dort aus im Blick. Wenn sie ihn nur einmal erklären
ließen, was er wollte, wenn sie ihn nur einmal reingelassen hätten, anstatt von
weitem mit der Axt zu drohen, dann hätte er ihnen gezeigt, wie man Ordnung
macht. Nach einem weiteren solchen Besuch saß Hans eines Tages an seinem Tisch
und sann über diese Verwahrlosung nach - wie konnte man soviel Sand
herbeischaffen und Bretter stapeln und dann zulassen, dass alles mit Gras und
Unkraut überwucherte und verfaulte? —, als Grazynka den Weißen Saal betrat. Sie
trug ein rotes Kleid mit weißen Punkten, hatte die Haare hochaufgetürmt wie
eine Torte aus purer Schokolade, und ihre Augenlider zierte ein ganzer
Regenbogen. Und wie sie tanzte! Das war reine Bewegung und Rhythmus, Hüften,
Brüste und die weißen Tupfen, die übers Parkett rollten wie Perlen, nach denen
man sich nur zu bücken brauchte. Hans Kalthöffer schluckte seinen Ärger
herunter, rückte seine Goldrandbrille zurecht und fasste den Mut, Grazynka zu
einem langsamen Tanz aufzufordern. Obwohl sie einen Kopf größer war als er und
sich ihr Alter aus der Nähe betrachtet unter der dicken Puderschicht nicht
ganz verbergen ließ, wusste er bereits, dass er diese Frau haben wollte, sie
und keine andere. Er störte sich nicht an dem Gerücht, das Grazynka überall hin
auf dem Fuße folgte wie ein an der Schuhsohle klebengebliebener Kaugummi, ja es
bestärkte ihn sogar in seiner Liebe. Auch die Tatsache, dass Grazynka drei
Kinder hatte, machte ihm nichts aus, und der Umstand, dass niemand väterliche
Ansprüche auf sie erhob, beruhigte ihn geradezu. Er würde sie zu seinen Kindern
machen, sie aufpäppeln und mit seinem deutschen Herzen lieben, er, Hans
Kalthöffer, ein nicht mehr taufrischer, aber noch einwandfrei verwendbarer
Junggeselle und Schweinezüchter, der eine hochmoderne Küche zu Hause hatte und
ein Badezimmer, das sogar mit Bidet ausgestattet war. Grazynka würde es dort
wie im Paradies haben, denn die Schweineställe waren sauber und gestankfrei,
sie brauchte nur noch Ja zu sagen.
    Drei Monate
später war Grazynka in Bayern, und nach zwei Jahren sprach sie so gut deutsch,
als habe sie diese Sprache mit der Muttermilch eingesogen. Beim alljährlichen
Bierfest verkleidete sie sich als Schäferin und verkaufte dicke Scheiben
Schinken, an ihrem Stand war die Schlange immer am längsten.
    Schon gleich zu
Anfang stellte sie ihre Sprachkenntnisse unter Beweis, denn sie verstand, als
Frau Korn polnische Schweine sagte, und vermöbelte sie vor der Kirche so, dass Frau Korn in die
Blumenrabatten fiel. Von da an belästigte sie nicht nur niemand mehr, sie wurde
sogar eingeladen, im Planungskomitee für das Bierfest zu sitzen. Als Grazynka
im Alter von sechsundvierzig Jahren - und das waren nur die, die sie zugab -
einen Sohn zur Welt brachte, der aussah wie eine Miniaturausgabe von Hans, übertrug
ihr Mann ihr die gesamten Finanzen des Betriebs, anstatt ihr wie bisher ein
monatliches Taschengeld auszuzahlen. Anfangs zählte Frau Kalthöffer die
Stellen der Zahlen mehrmals durch, weil sie nicht glauben konnte, dass man
soviel besitzen kann und dass ihr zugefallen war, was andere so nötig
brauchten.
    Grazynka machte
sich keine Illusionen, dass

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