Bator, Joanna
Moschusdünsten ihres Körpers
schmolz der Schnee und brachen die Eiszapfen, sie ließ eine Spur erwärmter
Erde hinter sich, auf der plötzlich aus dem Winterschlaf erwachte Mistkäfer
krabbelten. Als einer der Tuteks ihr mit Ruß »Nutte« auf die Tür schrieb, genau
dahin, wo bei anständigen Leuten das K+M+B stand, wischte sie es nicht etwa
weg, damit wieder einer »Nutte« hinschreiben konnte, sondern schrieb darunter,
und zwar in rosa Ölfarbe: mit goldenem Herz. Für so eine gab es keine Strafe.
Haiina sah oft durch die Gardine, wie das Kleid mit Rüschen und Dekolletee, das
sie genäht hatte, an Grazynkas weiblichem Körper wie angegossen saß und zum allgemeinen
Eindruck beitrug. Das bereitete ihr eine noch nie gekannte Genugtuung, als
fiele damit, leicht wie ein Noneiron, auch ihr ein Teil der Bewunderung zu, die
der anderen galt. Alle ein, zwei Wochen kam Grazynka zu Haiina und zog sich
zur Anprobe aus, als wickelte sie ein großes russisches Konfekt mit Füllung aus
dem Stanniolpapier und könne es kaum erwarten, die Süßigkeit mit dem ersten
Besten zu teilen, der gerade zur Hand war und Lust hatte. Haiina lieferte die
bunten Verpackungen für diesen Körper, der Männer dazu brachte, zu pfeifen, zu
schmatzen und zu schnalzen, und Frauen die Luft zischend einzuziehen, als
wollten sie ein wenig von der verbotenen Süße aufsaugen und dort speichern, wo
niemand sie herauspulen konnte.
Grazynka hatte nicht aus Not so
viele Männer, sondern aus Überfluss. Sie überließ sich ihnen halb umsonst, für
ein paar Strümpfe und Komplimente, zwei Tafeln Schokolade und drei Nelken mit
Grün, einen haben Liter Wodka und eine Dose mit Krakus-Schinken - nicht deshalb,
weil sie so wenig besaß, sondern weil sie so viel in sich trug, und zum Schluss
zeigte sich immer, dass die Männer nichts zu geben hatten und gingen, weil sie
nicht noch mehr nehmen wollten. Doch eine Nutte war Grazynka nicht, und als die
Beschützer der Professionellen sie zusammenstauchten, weil sie ihnen im Teczowa
Konkurrenz machte, lachte sie bei Haiina und hielt sich dabei die gebrochene
Rippe, was war das für ein Irrtum, sie suchte doch Liebe, dass man das nicht
auf den ersten Blick sah! Auch wenn so ein Mann Liebe nicht im Überfluss zu bieten
hatte, sie nahm auch eine Liebe, die leer war wie eine Milchflasche und füllte
sie für sich bis zum Rand. Nie saß sie im Teczowa mit Gegrüßetseistdumaria,
Traktoristin Lidka und der Heiligen Ameise an der Bar, denn sie, Grazynka,
eine anständige Frau, die sich und ihre Kinder mit eigener Hände Arbeit an der
Heißmangel ernährte, hatte es nicht nötig, sich für Geld hinzulegen. Am Tisch
bestellte sie einen kleinen Wodka und eine Orangeade, ließ ihre Blicke durch
den Saal schweifen, und es dauerte nie lange, bis sich die Gestalt eines
Mannes, unförmig, wie aus Lehm geknetet, aus der Menge löste und sich zu ihr an
den Tisch hockte, man konnte zugucken, wie er auf Grazynka flog. Geschichten,
die länger als zwei Wochen dauerten, feierte Grazynka mit einem neuen Kleid,
selbst wenn es aus alten Vorhängen und ehemals deutschen Tischdecken genäht
war, und je kürzer das Kleid und je tiefer der Ausschnitt, umso mehr füllte sie
es mit Hoffnung. Bei Grazynkas Anproben lernte Haiina, dass man sich das
Pelzchen zu einem schmalen Streifen rasieren konnte, das auf dem fleischigen
Hügel anfing und da aufhörte, wo es wahrscheinlich wie bei ihr bläulich und
schon etwas erschlafft hing.
Wie die Lippen von einem
schlafenden Säufer, prustete Grazynka, als dieser vielstrapazierte Teil ihrer
weiblichen Anatomie anlässlich der Anprobe eines kleingepunkteten Kleides, so
eng, dass es nur ohne Wäsche ging, zum Vorschein kam. Bei diesem Anblick
musste sie so lachen, dass sie einen Hustenanfall bekam, der nicht aufhörte,
bis sie die Geschichte von einem Parteifritzen aus Warschau zu Ende erzählt
hatte, der zur Schulung ins Bergwerk gekommen war und bei der Gelegenheit auch
Grazynka schulte - im Rasieren mit einem elektrischen Rasierapparat aus der DeDeEr.
In Gesellschaft einer Frau, der
das strotzende Leben aus allen Poren trat, die sich nach jedem Kuchen die
Finger ableckte und stöhnte: Ach, ich liebe Süßigkeiten!, fühlte Haiina sich
richtig wohl in ihrem Eidechsenkörper, der dann durch Osmose Farbe und Wärme
bekam. Es konnte geschehen, dass ihr aus heiterem Himmel beim Brotschneiden
Grazynkas schwere Brüste einfielen, ihre Achselhöhle mit dem Büschel feuchter
Haare oder eine cremefarbene
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