Bator, Joanna
sich über den
Trampelpfad durch den Schnee, der Himmel über ihr ist hart wie Eis, in diesem
Winter zerschellen Vögel daran, und ihre Herzen bersten. Jadzia bersten die
Hämorrhoiden und die Blasen an den Fersen. Sie fällt vornüber in eine
Schneewehe, in der einer von Stefans Schuhen verschwindet und bis zum Frühling
verschwunden bleiben wird. Zu beiden Seiten der Straße Mietshäuser, deren Türen
geschlossen, die Vorhänge an den Fenstern zugezogen sind, die Lichter an den
Weihnachtsbäumen flackern fröhlich durch die Ritzen. Jadzia kauert sich hin und
heult auf, ein paar rosige Blutstropfen fallen in den Schnee, und zwei Tränen.
Haiina hämmert an die Tür des Heißmangelbesitzers Zenon Kowalski, der einen
Warszawa fährt, doch Pech gehabt, er hat kein Benzin, ist betrunken, würde
helfen, wenn sich nicht alles so gegen ihn verschworen hätte. Ein Schlitten!
Ein alter Holzschlitten lehnt an einer Wand, vielleicht werden gute Menschen
ihn ausleihen, damit sie ihre Last, ihre Jadzia, so halbbeschuht und gesegneten
Leibes, durch den Schnee ziehen können. Haiina klopft an ein Fenster im
Erdgeschoss, aber die guten Menschen sitzen wohlbehütet am Tisch und hören
nichts, weil sie mit solcher Inbrunst Weihnachtslieder singen, und man kann es
ihnen nicht verübeln, bei Gott, sollen sie über ihre eigenen Beine fallen. Der
Schlitten wechselt ungesetzlich den Besitzer. Mit Haiina und Stefan im Geschirr
und Jadzia rittlings darauf sitzend sausen sie susani susani durch Szczawienko,
kommen in Schwung, dass die Funken unter den Kufen stieben, sie steigen in die
Lüfte, stoßen Eiszapfen von den Dächern, fliegen über Hochspannungsdrähte, die
vor Kälte wie Hunde knurren. Jadzia, in einer Wolke aus Schneestaub mit
Rauhreif auf Wimpern und Brauen, legt den Kopf in den Nacken, schließt die
Augen, verliert den zweiten Schuh und denkt, wenn das der Oberarzt wäre, oder
der Ausländer, dann sähe das alles vielleicht romantischer aus und täte nicht
so weh. In einer Telefonzelle schimmert eine Urinpfütze, und Stille Nacht
herrscht im Hörer, der an einem aufgeschlitzten Metallstengel schaukelt. Die
vor der Zelle geparkte Jadzia rutscht vom Schlitten, und die Schmerzkugel, die
sich jetzt, schneller und größer als die vorhergehenden, in ihr umwälzt,
explodiert in den Farben der Malven und Dahlien aus dem Zalesier Garten. Aus
vollem Hals brüllt Jadzia NEIN!, zum ersten Mal in ihrem Leben so entschlossen
und leider vergebens. Die Klammern an ihrem Strumpfhalter öffnen verblüfft die
Mäulchen, und Mutter Erde tut sich auf. Das eingekesselte Wasser voll
scharfkantiger Gegenstände drängt auf den Tunnel zu, durch den höchstens ein
Bächlein passt. Ich halte ein Auto an! kommt Stefan die Erleuchtung, doch beim
Anblick der Gruppe am Straßenrand zwinkert der vorbeifahrende Saporoshez nur
mit seinem Zyklopenauge, beschleunigt und verschwindet. Jadzia brüllt schon
wieder NEIN!, denn ihre Beckenknochen beginnen sich zu bewegen wie tektonische
Platten bei einem Erdbeben. Stefan weint. Warum gibt es in diesem Scheißland
keine Taxis und Telefone? Haiina schreitet zur Tat, diese Frau weiß, wann man
die Dinge in die Hand nehmen muss, und stürzt mitten auf die Breslauer Straße,
die zwischen den Schneehaufen glänzt wie ein schwarzer Lavastrom. Hinter der
Kurve hüpft im Slalom ein Miliz-Nyska mit Blaulicht hervor und steuert auf
Haiina zu, die ihre Arme ausgebreitet hat wie für ein auf sie zulaufendes Kind.
Bleib stehen, du Hurensohn! kreischt Haiina Chmura auf Russisch, bleib stehen,
du Hundesohn! Der Nyska bremst, kommt ein Haarbreit vor Haiina zum Stehen. Zwei
Milizionäre, der eine mehr, der andere weniger betrunken, springen aus dem
Gefährt, bereit, verfickt noch mal, die Alte zu verprügeln, aber der Anblick
der im Schnee liegenden Jadzia rührt ihr Herz. Mensch, Scheiße, guck mal, die
Frau, scheiße, die kriegt da n Kind, sagt der mehr Betrunkene zum weniger
Betrunkenen, der zwar von kleinerem Wuchs, aber höherem Dienstgrad ist. Die
Bürgerin gebiert, bestätigt der weniger Betrunkene dem mehr Betrunkenen, zum
Teufel! Jessesmaria, fluch nicht, du blöder Sack, wenn eine Bürgerin gebiert.
Hauptmann Pasiak, der weniger Betrunkene und Ranghöhere, heißt Herrn und Frau
Chmura zusammen mit der wundersamerweise nicht überfahrenen Schwiegermutter in
den Nyska steigen. Drinnen wischt sich ein Mann in Handschellen und
Schlafanzug, der eine Bergmannsgalamütze mit schwarzem Federbusch auf dem Kopf
trägt, die blutende
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