Bator, Joanna
träumen,
und sogar ein bisschen flennen, das ist die einzige Gelegenheit. Über diese
Augenblicke verträumten Halbschlafs sagt Jadzia zu ihrer Bürofreundin Madzia:
Das ist mein kleiner romantischer Luxus. Das Leben schenkt ihr, wie Jadzia allmählich
deutlich sehen kann, nicht sehr viele Möglichkeiten, sie sieht zu, wie es an
ihr vorüberläuft, und sie steht da mit leeren Händen (von denen die eine, auch
durch die Schuld des Lebens, behindert ist). In dieser Stunde des romantischen
Luxus gestattet Jadzia, die Ehefrau und Mutter, der Nichtehefrau und
Nichtmutter Jadzia allerlei Phantasien, die sich um den Ausländer drehen, den
Oberarzt, er ist alles, was Stefan nicht ist, und sie ist bei ihm nichts als
Jadzia. Der Ausländer ist im Gegensatz zu Stefan, der Pole ist, Ausländer und
hat eine saubere Arbeit (Grube kommt nicht in Frage), sauber sind auch seine
Hände sowie andere Teile, die in sie eindringen könnten, doch so weit geht
Jadzia nicht. Der Ausländer kommt und holt sie in die BeErDe, wo es Supermärkte
gibt, und das reicht der dorthin geholten Jadzia, um zu wissen, wer sie ist,
während die Jadzia, die dort etwas tun sollte, es nicht wüsste.
Eigentlich würde sie sich vom
Ausländer höchstens bis zur Konditorei in Breslau mitnehmen lassen, wo sie zweimal
auf Betriebsausflug in einer Operette war, einmal in La Presidente und einmal in der Lustigen Witwe, beide sehr interessant, vorher
aber hatten sie Freizeit, das war am interessantesten wegen der Geschäfte.
Während sie über die Swidnicka-Straße mit all ihren erleuchteten Schaufenstern
ging, spürte Jadzia, wie ihre Wangen vor Aufregung glühten, weil sie, Jadzia
Chmura, allein in der schönen großen Stadt Breslau unterwegs war und über die
Swidnicka-Straße ging. Sie war so hingerissen, dass sie ihre Kolleginnen
verlor und einfach weitermarschierte, als ginge sie täglich dort entlang, auf
eigene Faust und mit dem Geld aus Stefans Rücklagen, das sie ihm abgerungen
hatte und in der Innentasche ihrer Kostümjacke trug. Alle paar Augenblicke
tastete sie prüfend auf Herzhöhe, um erleichtert festzustellen, dass es noch
dort war. Sie blieb an einem Sodastand stehen, der irgendwie größer aussah als
in Walbrzych und glänzender, und sie trank ein Wasser mit einer doppelten
Portion Kirschsaft. So musste es in einem Kurbad sein, dachte sie, wohin die
Damen aus den Liebesromanen fuhren, Himbeergeschmack und feuchte, funkelnde,
sprudelnde Luftbläschen wie bei sowjetischem Champagner. So ein Walbrzych
konnte Breslau nicht das Wasser reichen, wie viele Leute hier waren, wie viele
Geschäfte! Die hingerissene Jadzia spiegelte sich so hübsch in den
Schaufenstern, dass sie sich zum Kuchenessen in die Orbis-Konditorei gegenüber
der Oper wagte. Sie trat mit einer gewissen Scheu ein, schließlich war sie ja
eine Fremde in Breslau, und allein. Seltsam, dass hier so viele Herren zum
Kuchenessen waren und keine einzige Dame. Während sie an ihrem Baiser
schmatzte, das hier nicht Baiser hieß, sondern Spanischer Wind, was eleganter
klang, fand sie, dass die Herren sie auf eine Weise anstarrten, die ihr gar
nicht angenehm war, und der eine mit Schnurrbart, so ein ganz unangenehmer, der
verschlang sie geradezu mit den Blicken, obwohl er ein ganzes Ungarisches
Törtchen vor sich stehen hatte. Heilige Muttergottes, wenn er bloß nicht zu ihr
kam, was sollte sie dann machen, da stand er schon auf und kam auf sie zu, darf
ich mich zu Ihnen setzen, fragte er mit so einem dünnen seltsamen Stimmchen.
Ich bin Rysiek. Er reichte ihr die Hand mit Siegelring. Wenn es auf der Straße
gewesen wäre, hätte Jadzia gesagt: Ich schließe keine Straßenbekanntschaften.
Aber so, in der Konditorei, was sollte sie da sagen, deshalb stand Jadzia auf
und flüchtete vor dem Schnurrbart. Von dem leckeren Baiser ließ sie die Hälfte
stehen. Wenn es bloß niemand erführe, würde sich Jadzia von dem Ausländer ins
Orbis ausführen lassen, bis zum Abend könnte sie wieder zu Hause sein. Sie
würde sich mit ihm im Orbis verabreden, und der mit dem Schnurrbart, der würde
vielleicht glotzen und Stielaugen machen, entschuldigen Sie, ich bin hier mit
meinem Verlobten verabredet, würde sie sagen. Und der Ausländer würde nicht wie
Stefan vorrechnen, wie viel Kuchen man für dieses Stück Konditoreitorte zu
Hause backen könnte, wie viel Mehl, Zucker, wie viele Eier man dafür kaufen
könnte, o nein, der Ausländer würde alles bestellen, was sie sich wünschte,
ja, ohne zu fragen, würde
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