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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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auch
sie ihnen nicht zu nahe kommen. Der Herrgott gibt Acht auf den, der sich in
Acht nimmt, besser war es, kein Risiko einzugehen, denn auch ein Homodingsbums
kann mal Gretel mit Hansel verwechseln. Ein junger Bursche, ein frischer und
unschuldiger Bursche aber würde nach der Fahrstuhlpartie mit einem Homo-dingsbums
bis zur Unkenntlichkeit verändert aussteigen, die Haare pomadisiert, geputzt
bis hinter die Ohren, mit einem unterm Hals geknoteten Schälchen, vielleicht
gar mit einem französisch angehauchten Schnurrbärtchen unter der Nase. Als
einmal ein Homo-dingsbums vor dem Babel an einer Mutter mit ihrem kleinen Sohn
vorbeiging, blähte sich diese vor Entrüstung zu einer schieren Rotz- und
Fettkugel auf, die bereit war, ihn platt zu walzen, falls er ... Der kleinere
und ältere Homo-dingsbums, Jeremiasz Mucha, war Schauspieler am städtischen
Theater, wo er in Nebenrollen Bedienstete und verblödete Onkel spielte. Er
besaß kein großes Talent, machte das aber mit Auffälligkeit wett. Das Haar
kastanienbraun gefärbt, gekleidet, als wäre alle Tage Sonntag, mit einer
frischen Blume im Knopfloch, hätte er direkt von der Straße weg auf die Bühne
gehen können. Er sagte Sätze wie: Die Kutsche ist vorgefahren, Gnädige Frau!,
vor einem Publikum, das aus Sonnenblumenkerne spuckenden Schulklassen oder
Werksabteilungen bestand, und unter den Zuschauern war es immer der größere und
jüngere Homo-dingsbums, der am lautesten klatschte und Bravo! rief. Jeremiasz
Mucha verdiente sich bei Tanzveranstaltungen im Teczowa etwas dazu, er sang
das Repertoire von Jerzy Polomski, dem er sogar ähnelte und an Eleganz in
nichts nachstand. Er war das Glanzlicht mancher Hochzeitsfeier, denn wenn er
loslegte mit »Der ganze Saal«, dann riss es jeden auf die Tanzfläche, da gab es
kein Vertun. Dominika gestand ihren Eltern nie, dass Jeremiasz Mucha sie mehr
als einmal auf dem Flur angesprochen und - im Gegensatz zu allen anderen im
Babel - gefragt hatte: Wie geht es Ihnen denn so, schönes Fräulein? Wenn ich
Ihr Haar hätte und so ausdrucksvolle Augen, dann hätte ich im Handumdrehen in
Warschau Karriere gemacht. Danach guckte sie in den Spiegel und fragte sich,
was denn an ihren Haaren so Besonderes sei, die ihre Mutter so in Rage
brachten und niemandem gefielen. Einmal sagte er: Sie haben Augen wie Ada
Sari. Ada Sari, Iras Ada, sagte Dominika danach vor sich hin, fasziniert von
dem fremden Klang und dem Gedanken, etwas mit jemandem gemein zu haben, der
einen so schönen Namen trug. Der größere und jüngere Homo-dingsbums, dessen
Name nicht bekannt war, arbeitete offensichtlich nicht. Er schlief in den Tag
hinein, im Sommer stand er im violetten Morgenmantel auf dem Balkon und hielt
das Gesicht in die Sonne. Jadzia, die Meisterin des leisen Beiseiteschiebens
des Deckels vom Spion, entdeckte erst nach Monaten die Gesetzmäßigkeit, die
mit Ludwik Lepkis Besuchen verbunden war, er stahl sich nämlich immer dann in
die Nachbarwohnung, wenn nur der jüngere, nicht arbeitende Homo-dingsbums zu
Hause war. Für einen Kerl vom Babel war es nur dann möglich, nicht zu arbeiten,
wenn ihm ein Körperteil abgerissen oder zerquetscht worden war oder wenn er auf
das Niveau des einarmigen Jözek Sztygar gesunken war, der vom frühen Morgen an
Autovidol oder Birkenhaarwasser trank und die eigene Frau nicht mehr erkannte,
denn jedes Mal wenn er sie sah, fragte er: Was machst du überhaupt hier, Frau?
Bei dem größeren Homo-dingsbums hingegen schien körperlich alles noch an Ort
und Stelle zu sein. Im Großen und Ganzen wirkte er unversehrt, obwohl er Filterzigaretten
rauchte, die er in eine lange Zigarettenspitze steckte, und einsam über die
Promenade am Babel spazierte, wobei er sein Spiegelbild in den Schaufenstern
bewunderte, und so konnte er gut fünfzehnmal auf und ab schlendern. Die
Männer, die mit ihrem Bier auf der kleinen Mauer saßen, schauten ihm hinterher
und konnten sich über dieses ständige Auf- und Ablatschen nicht genug wundern.
Hat der einen Motor im Arsch, dieser Homo-dingsbums, oder was? Ein solches
Schicksal darf man doch dem ärgsten Feind nicht wünschen.
    Ssshht! Stefan
herrschte seine Frau an, sie solle still sein, als sie eines Nachts - Heilige
Mutter Gottes! — von einem Lärm auf der anderen Seite der Wand aus dem Schlaf
geschreckt auffuhr, man soll sich nicht in fremde Angelegenheiten mischen. Er
saß in den Kissen und lauschte. Die Wände im Babel waren dünn. Man hörte etwas
und lauschte auf mehr, doch

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