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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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jeder gab das Erlauschte nur unter dem Siegel
größter Verschwiegenheit und hinter dem Rücken des Belauschten wieder. Besser
tat man so, als hätte man nichts gehört, als sich vorwerfen zu lassen, man mische
sich in fremde Dinge ein. Die Folge der Einmischung ist die Verstoßung vom Rang
eines guten Nachbarn. Als die Lepka einmal zu den Pasiaks rannte, um zu fragen,
ob es ihre Jagienka war, die heulte, als würde ihr die Haut abgezogen, hat der
alte Pasiak ihr fast eine runtergehauen und grüßt sie bis heute nicht. Wer sich
aus dem Fenster lehnt, dem kann die Rübe abgerissen werden, sagt Stefan immer
zu Jadzia. Herr und Frau Chmura erstarrten vor Wartespannung, ein Streifchen
Mondlicht fiel durch einen Spalt in den Gardinen und zersprühte auf der Fototapete
über der Couch. Stefan hatte sie bei Lepki bestellt, sie war den ganzen weiten
Weg aus der BeErDe gekommen, um Jadzia am Weihnachtsabend zu überraschen.
Jadzias Traum war eine Fototapete mit einer Palmeninsel gewesen, wie sie die
Lepka hatte, oder ihretwegen auch eine mit Herbstnatur, aber sie hatte einen
Wasserfall bekommen, dessen kalte Strahlen ihr Schauer über den Rücken jagten.
Stefan bemerkte ihre Enttäuschung, und sie musste ihm bis zum Umfallen immer
wieder sagen, nein, sie ist wirklich wunderhübsch, diese Fototapete, sie hätte
sich für den Platz über der Couch im Esszimmer keine schönere vorstellen
können, deshalb brachte er sie noch während der Feiertage an. Wenn Jadzia
nachts aufwachte, sah sie nun Wächten aus schäumendem Wasser über sich und
erwartete, dass es jeden Moment anfangen würde zu tropfen. Die Hilferufe, die
sie aus dem Schlaf gerissen hatten, waren verstummt. Jetzt hörte man ein
Scharren, Hundegebell, etwas Schweres fiel um. Und was, wenn dort etwas
Schlimmes passiert war? Jadzia erbleichte im Dämmer, schwer wie ein Fels und
weich wie Teig. Sie waren doch immer so ruhig und höflich, Guten Tag, Auf
Wiedersehen, es ließ ihr keine Ruhe. Die Homo-dingsbums weckten in ihr eine
Art Interesse, denn ihre Andersartigkeit erinnerte sie an etwas, das ihr
bekannt vorkam, ohne dass sie einen Namen dafür finden konnte. Die
Zufallsbegegnungen am Fahrstuhl machten ihr Vergnügen, und wenn sie auf den
Balkon hinaustrat, trug sie immer Perlglanz auf die Lippen auf. Jeremiasz Mucha
tut ja wie ein Mann, aber man kann mit ihm plaudern wie mit einer Frau,
erzählte sie Madzia bei der Arbeit. Er machte Komplimente: Dieses Pink steht
Ihnen, Frau Nachbarin! sagte er. Pink! Kein normaler Bergmann vom Babel hätte
violett von hellblau unterscheiden können, und die Frauen beklagten sich - wenn
es ihnen mal gelang, so einen mit ins Kaufhaus zu schleppen, war er das
Einkaufen nach einer Viertelstunde leid und hielt Ausschau, wohin er sich auf
ein Bier verdrücken könnte. Ich glaub, mich tritt ein Pferd! Stefan war
empört. Vor aller Augen grüßt du dich mit diesen Perversen? Hinter der Wand
gab es einen dumpfen Knall, der den Wasserfall zum Beben brachte, etwas ging zu
Bruch, der Hund bellte auf, dann ein Jaulen, das wie abgeschnitten verstummte.
Heilige Mutter Gottes! Jadzia fasste nach der Hand ihres Mannes. Türen
schlugen, Füße eilten die Treppe hinunter, dann Stille. Es war vorbei, was auch
immer dort geschehen war, und nicht mal Dominika im anderen Zimmer war
aufgewacht, wie hätten sie dann aufwachen und etwas hören sollen? Stefan
atmete auf, als sei es sein Verdienst, dass im Babel der Frieden wieder hergestellt
war. Sie werden sich Kumpel eingeladen haben, gefeiert, getrunken. Weißt du,
was solche Perversen treiben? Er zog die widerstrebende Jadzia an sich und
klopfte ihr aufs Knie. Meinst du vielleicht, Dziunia, die machen nichts als
höflich Guten Tag und Auf Wiedersehen sagen? Er hatte ein farbiges Blättchen
aus der BeErDe gesehen, wo nur Männer auf den Farbfotos herumstanden, sich in
alle Richtungen bogen und reckten und streckten, mal splitternackt, mal in
Frauenflitter, in Damenunterwäsche, in Unterröcken und Strümpfen, wie er sie
noch nie an einer Frau gesehen hatte, von so etwas mal ganz zu schweigen.
Fettgedruckt stand über ihren Köpfen Heinz, Helmut oder Klaus und andere
Sachen, die nicht so einfach zu verstehen waren, wenn man nicht gut Spraken
konnte. Lepki, der in der BeErDe einen Zweijahresvertrag hatte, sammelte in
seiner Freizeit alles auf, was er auf der Straße finden konnte. Die polnischen
Bergleute nannten das Himmelsmanna von deutschen Straßen, denn alles stellten
die Deutschen raus, vor ihre

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