BattleTech 08: Woelfe an der Grenze
Grenzwelt, die für gepflegte Formen des Anstands wenig Interesse aufbrachte.
Fufon-Matten aus Stroh bedeckten den Fußboden, und in der Mitte des Zimmers lag ein großes weißes Kissen. Links von dem Kissen stand ein Tablett mit Reispapier, eine Feder und ein Fäßchen mit getrockneter Tinte. Rechts vom Kissen und etwas nach hinten versetzt stand ein Holzeimer, auf dessen oberem Rand eine kleine Schöpfkelle lag. Neben dem Eimer befand sich ein lackierter Schwertständer. Sein Katana lag in der Scheide auf den oberen Haken. Die unteren Haken hielten die leere Scheide seines Wakizashi. Dragoner, die sich leise miteinander unterhielten, knieten auf dem Fußboden. Sie bildeten ein Spalier zwischen der Tür und dem mit Futons bedeckten Bereich.
Minobu kannte sie alle. Es beeindruckte ihn, daß alle Regimentskommandeure ihre Aufwartung gemacht hatten. Andere wichtige Dragoneroffiziere, darunter auch Natascha Kerensky, waren ebenfalls anwesend. Er fühlte sich geehrt durch die Anwesenheit derart bemerkenswerter Krieger.
Minobu blieb fünf Meter vor der Tür stehen und ließ Wolf vorgehen. Der Söldner ging zu Michi und sagte leise: »Er hat mich darum gebeten, ihm als Kaishaku-nin zu dienen. Wo ist mein Platz?«
»Neben dem Wassereimer, links von ihm und ein wenig nach hinten versetzt. Dort knien Sie, bis es Zeit ist.« Michi fiel auf, daß Wolf nicht die Anspannung erkennen ließ, die er erwartet hätte. Ihm kam der Verdacht, Wolf wisse gar nichts vom Kaishaku-nin, und daher fragte er: »Sind Sie im Umgang mit dem Schwert versiert?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Der Kaishaku-nin schlägt dem Prinzipal den Kopf ab, bevor der Schmerz so groß wird, daß er ihm Schande bereitet.«
Wolfs Augen weiteten sich.
»Sie haben das nicht gewußt?«
»NEIN!«
Michi senkte den Kopf. »Ich verstehe. Dann werde ich ihm dienen.«
Wolf hielt ihn am Arm fest.
»Nein. Er hat mich darum gebeten. Ich werde es tun. Ist das da drüben das Schwert, das ich benutzen soll?«
Michi versuchte, Wolfs Gefühlszustand einzuschätzen, indem er ihn eindringlich musterte. »Wenn Sie den Schlag schlecht ausführen, bereiten Sie sich und seinem Andenken Schande.«
»Was für eine Wahl habe ich denn? Ich werde mein Bestes tun.«
»Wenn die Umstände ungewöhnlich sind, ist dem Kaishaku-nin auch eine andere Waffe gestattet.«
»Zum Beispiel?«
»Eine Pistole.«
»Mit einer Pistole kann ich zumindest umgehen.«
Wolf wollte den Raum betreten, aber Michi hielt ihn zurück. Der Draconier machte sich mit der linken Hand an seinem Pistolenhalfter zu schaffen. »Bitte, Colonel Wolf, benutzen Sie meine. Gestatten Sie mir, an der Ehre teilzuhaben.«
Wolf nahm die angebotene Laserpistole und ging an seinen Platz. Die Gespräche zwischen den versammelten Dragonern verstummten, als ihr Colonel den Raum betrat.
Minobu wartete, bis Wolf sich niedergelassen hatte. Dann trat er durch die Tür und verbeugte sich vor der Versammlung. Gelassen und weder nach rechts noch nach links schauend ging er zum Kissen und kniete mit dem Gesicht zur Tür nieder.
Eine Minute lang saß er unbewegt da und sammelte sich. In einem Zustand inneren Friedens griff er nach rechts, nahm das Tablett und stellte es vor sich hin. Mit großer Sorgfalt rührte er die Tinte an und tauchte die Feder hinein. Einen Augenblick lang ruhte seine Hand reglos über dem Papier, dann bewegte sie sich und schuf mit kurzen, präzisen Strichen Kfln/f-Buchstaben. Mit deutlicher Stimme las er die Worte während des Schreibens laut mit:
Krieg enthüllt Schwertstahl. Herbstlaub spiegelt Farbe. Eines Samurais Blut.
Er legte die Feder zurück auf das Tintentablett und stellte es an seinen Platz zurück. Dann kniete er sich wieder hin und wartete, während Michi durch das Spalier kam, das von den Dragonern gebildet wurde.
Michi trug ein weiß lackiertes Tablett, das er vorsichtig auf der Hand seines unverletzten Arms balancierte. Auf dem Tablett befanden sich ein Trinkgeschirr aus Keramik und eine kleine Flasche mit Sake. Michi kniete nieder und stellte das Tablett vor Minobu ab. Sie verbeugten sich voreinander.
Minobu nahm die Flasche in die linke Hand und füllte das Trinkgeschirr, wobei er den Vorgang des Eingießens einmal kurz unterbrach. Er stellte die Flasche exakt dorthin zurück, wo sie vorher gestanden hatte. Dann hob er das Trinkgeschirr an die Lippen und nahm zwei Schluck. Nach einer kleinen Pause leerte er es mit zwei weiteren Schlucken und stellte das Geschirr auf das Tablett zurück. Michi verbeugte
Weitere Kostenlose Bücher