BattleTech 09: Ein Erbe für den Drachen
Interesse an anderen Dingen entdeckt zu haben: Wände, Fingernägel, Falten in ihrer Uniform. Theodore und Tomoe maßen sich mit Blicken, Sturheit traf auf Beharrlichkeit.
Der Bushido-Codex gestattete es einem Kommandanten nicht, vor einer hoffnungslosen Schlacht davonzulaufen und seine Soldaten sterben zu lassen. Sein ganzes Leben lang hatte Theodore Kuritakrieger in die Schlacht führen wollen, und hier auf Marfik hatte sich dieser Wunsch erfüllt. Trotz schlechter Ausrüstung und eines eklatanten Nachschubmangels hatte sich die Legion hervorragend geschlagen. Jetzt drohte seinen Streitkräften die Vernichtung. Bushido gebot, daß er das Ende mit ihnen erlebte.
Tomoe stand auf und trat an das Ende des Tisches, fast aus dem Lichtkreis hinaus. Dort blieb sie stehen, drehte sich aber nicht um. Das Licht funkelte auf den Metallbeschlägen der klobigen Schultern ihrer Kühlweste, aber ihr Ärger spiegelte sich deutlich in ihrer Haltung.
»Sie hat recht, Sama«, röhrte Olivares. »Sie brauchen hier nicht zu sterben.«
Alle Köpfe am Tisch nickten zustimmend.
»Die Polarfuchs ist nur ein Landungsschiff der Union-Klasse«, protestierte Theodore. »Sie ist noch nicht einmal groß genug für die Buso-senshi und ihre Mechs. Selbst wenn wir die gesamte Ausrüstung zurücklassen würden, könnten wir nicht alle Leute in sie hineinpferchen. Und alle, die zurückbleiben, werden von den Lyranern abgeschlachtet. Außerdem haben wir kein Sprungschiff. Die Raumflotte des Kombinats wurde vor über einem Monat aus dem System vertrieben. Wir hätten also keine Möglichkeit, das System zu verlassen.«
»Tai-i Kerai hat gesagt, er wüßte eine Lösung für dieses Problem, Tono«, meldete sich Fuhito zu Wort.
»Und wo ist er?«
Fuhito zuckte die Achseln und breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus.
»Kerai-kun mag auf einigen Gebieten bemerkenswerte Fähigkeiten haben, aber selbst er kann nicht einen interstellaren Transport aus dem Nichts hervorzaubern.«
Fuhito wollte Theodore widersprechen, aber das Heulen eines landenden STOL-Jets verschluckte seine Worte. Der Posten riß die Tür auf und meldete die Rückkehr von Tai-i Ninyu Kerai. Ninyu trug einen Tarnanzug, dessen Kapuze zurückgezogen war, so daß man sein zerzaustes rotes Haar sehen konnte. Das Rundumvisier hing an der rechten Hüfte und schlug klappernd gegen die gehalfterte KA-23 Maschinenpistole. Sein lächelndes Gesicht stand in entschiedenem Gegensatz zum nüchternen Gesichtsausdruck der im Raum versammelten Offiziere.
»Wie, immer noch bei der Besprechung?« fragte Ninyu. »Ich dachte, du hättest schon gepackt.«
»Ich gehe nicht«, erwiderte Theodore. »Ich habe der Legion gegenüber eine Verpflichtung.«
»Du bist zu wichtig, um auf diesem Hinterwäldlerplaneten zu sterben.«
»Ich bin nicht so wichtig, daß ich Bushido ignorieren könnte. Als Kuritakrieger gebietet die Ehre, daß ich meine Pflicht gegenüber meinen Soldaten erfülle und mich dem stelle, was sie erwartet.«
»Baku!« rief Tomoe, wobei sie zu ihm herumwirbelte. »Du bist ein Narr! Du bist nicht einfach irgendein Krieger! Du bist auch nicht nur der kommandierende Offizier eines Regiments. Du bist der Anführer der gesamten Legion Wega! Zwei weitere Regimenter deiner kostbaren Buso-senshi und vierzig konventionelle Einheiten kämpfen auf Wega gegen die Lyraner um ihr Leben. Wie sieht deine Pflicht ihnen gegenüber aus? Willst du sie ohne ihren Anführer sterben lassen? Du bist außerdem der designierte Thronerbe. Wenn du gefangengenommen oder getötet wirst, schadet das dem Kombinat. Die Thronfolge wird umstritten sein, und dein Vater wird von der Weiterführung des Krieges abgelenkt. Glaubst du wirklich, daß du dem Drachen mit deinem Tod einen Dienst erweist, auch wenn er noch so edel ist? Du sprichst von der Verantwortung deinen Truppen gegenüber. Was ist mit deiner Verantwortung dem Draconis-Kombinat gegenüber? Gestattet dir dein Glaube an den Bushido-Codex, dein Leben wegzuwerfen, wenn du anderswo wichtige Pflichten zu erfüllen hast? Wirst du deinen persönlichen Wunsch, ein edler Krieger zu sein, über deine Verpflichtung gegenüber Haus Kurita stellen?«
Tomoe verschränkte die Arme über der Brust, während sie sich zu voller Größe aufrichtete. Ihre Augen funkelten. »Der Weg eines Samurai ist Gin. Es ist deine Pflicht, Marfik zu verlassen!«
Theodore war verblüfft ob ihres Ausbruchs, peinlich berührt, daß sie ihn vor den versammelten Offizieren der Legion angeschrien hatte.
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