BattleTech 09: Ein Erbe für den Drachen
aber nicht mehr rechtzeitig, um den Schuß zu verhindern. Im letzten Moment konnte Theodore die Waffe noch ein wenig schwenken, und die Nambu knallte mit einer in der Enge des Raumes geradezu obszönen Lautstärke.
Die Kugel traf Frederick seitlich im Kopf. Der Herzog wurde zurückgeschleudert und fiel zu Boden. Mit der freien Hand tastete er kraftlos nach der Wunde, wobei er das Blut über Schläfe und Ohr verschmierte. Dann erschauerte er plötzlich und wurde schlaff.
Theodore hatte die Befürchtung, seine Entscheidung, Frederick zu verschonen, sei zu spät gekommen, und er machte einen halben Schritt vorwärts. Blut tropfte von den Fingern des Lyraners und besudelte den kostbaren Teppich, auf dem er lag. Theodore stieß einen tiefen Seufzer aus, als er sah, daß Frederick noch atmete.
Wachen platzten ins Zimmer. Mit geweiteten Augen und bereitgehaltenen Waffen suchten sie nach einer Gefahr für den Prinzen. Beruhigt durch die schußbereite Waffe in seiner Hand und durch seinen offensichtlich tadellosen Zustand verfielen sie in vorsichtige Wachsamkeit. Drei von ihnen schulterten ihre Waffen, um den Lyraner abzutransportieren. Ihre Haltung ließ darauf schließen, daß sie Frederick für tot hielten. Theodore hielt sie mit erhobener Hand auf.
»Schickt nach einem Arzt der Bruderschaft!« Er steckte seine Pistole ins Halfter zurück. Als die verwirrten Wachen nur zögerlich reagierten, schnauzte er: »Schnell!«
Zwei Wachen stießen in ihrer Hast, seinem Befehl Folge zu leisten, in der Tür zusammen.
Als der Arzt eintraf, versuchte Theodore gerade, den Blutfluß zu stillen. Er übergab seinen Patienten der Obhut des Experten und wartete. Ein paar Minuten später erhob sich der Arzt. »Hier kann ich nichts weiter für ihn tun. Er muß ins Krankenrevier gebracht werden.«
»Sorgen Sie dafür«, befahl Theodore scharf, während er auf zwei Wachen deutete. Er drehte sich wieder zu dem Arzt um, der vor ihm zurückzuckte. Theodore spürte die Anspannung seiner Gesichtsmuskeln, und ihm wurde klar, wie grimmig sein Gesichtsausdruck sein mußte, wenn der andere so heftig reagierte. »Ihre Prognose, Doktor-san.«
»Er wird es wohl überleben«, begann der Arzt vorsichtig. »Obwohl er sich vielleicht wünschen wird, es wäre nicht so. Ich bin nicht sicher, wieviel Schaden das Gehirn genommen hat. Mehr kann ich noch nicht sagen.«
»Ich verstehe. Domo arigato, Doktor-san.«
Der Arzt verbeugte sich und verließ eilig den Raum. Die Wachen, die Theodores Laune intuitiv erfaßten, folgten ihm. »Ein Auge«, sinnierte Theodore laut in dem leeren Zimmer. Ihm fiel eine deutsche Sage ein, in der der Gott Wotan ein Auge gegen Weisheit eingetauscht hatte. Ein seltsamer Handel, Sehkraft für Einsicht.
»Solange du in Kurita-Händen bist, Frederick Steiner, wirst du gut behandelt werden«, gelobte Theodore. »Obwohl ich eines deiner Augen für immer geschlossen habe, hast du mir die Augen geöffnet, und dafür bin ich dir dankbar. Du hast auf den Punkt gebracht, was ich bis jetzt viel zu lange schon mit Absicht ignoriert habe. Ein einfacher Krieger, selbst ein Buso-senshi zu sein, ist nicht genug. Es reicht auch nicht, im Felde ein guter Kommandant zu sein. Ich bin der Erbe meines Clans und des Draconis-Kombinats. Ich muß mehr sein als ein gewöhnlicher Samurai. Für die Ehre meines Clans und für meine eigene schwöre ich, all das zu werden, was ich werden muß. Ich werde alles tun, was notwendig ist. Der Drache muß triumphieren!«
ZWEITES BUCH
BEHARRLICHKEIT
36
Kanzijankin-Reservat, Deber City, Benjamin
Militärdistrikt Benjamin, Draconis-Kombinat
11. Januar 3030
»Constance!« rief Theodore, während er sich aus seinem Lotussitz vom Rasen erhob. Obwohl er im Schatten der Bäume stand, konnte Constance die Freude auf seinem Gesicht erkennen. Seine Laune unterschied sich beträchtlich von der, die er bei ihrer letzten Begegnung gehabt hatte. Das war an dem Tag gewesen, als Takashi seinen Sohn zur Legion Wega verbannt hatte.
Sie war genauso glücklich wie ihr Cousin. Viel zu lange hatten sie auf ihre gegenseitige Gesellschaft verzichten müssen. Aber Constance war sich ihrer Würde als Vorsteherin des Ordens der Fünf Säulen bewußt, und sie behielt ihren gleichmäßigen Schritt bei. Wenn sie Hast an den Tag legte, um zu Theodore zu kommen, würde dies dem halben Dutzend Adepten, das sie begleitete, ein schlechtes Beispiel geben. Früher hätte sie sich auch Gedanken darüber gemacht, wie elegant sie über den
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