BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
Behälters landete – die weißen Shojiwände hätten kein Partikelchen Teestaub unbemerkt entkommen lassen. Und er sah keine Veranlassung, den Teemeister zu beleidigen, indem er nach Fehlern suchte.
Der alte Mann schloß zuerst die Teekugel und dann die Dose. Letztere stellte er zurück in die Truhe, während die Glaskugel langsam hinab auf die Tatamimatte sank. Bevor sie diese berührte, packte der Teemeister den Zylinder und führte dessen Nadeltülle in die kleine Düse der Kugel. Mit einer Berührung des Schalters am Fuß der Nadel spritzte er dampfendes Wasser ins Innere der Kugel.
Kai lächelte. Das Knirschen muß von einer chemischen Heizkapsel gekommen sein. Sie hat das Wasser erhitzt, das sich ausdehnte und den notwendigen Druck für den Spritzvorgang erzeugt hat. Wahrscheinlich hätte er schon aus der Beschaffenheit der ›Teekanne‹ den ganzen Vorgang schließen können, aber Kai verdrängte den Gedanken. Das wäre Wissenschaft. Dies hier ist Kunst.
Das heiße Wasser sammelte sich in der unteren Rundung der Kugel und sprudelte unter dem weiteren Zufluß immer höher. Als er mit der Füllung zufrieden war, zog Ishiyama den Zylinder aus der Kugel und legte ihn in die Truhe zurück. Er packte die Kugel mit beiden Händen und schwenkte sie sanft, so daß sich das heiße Wasser an den Wänden verteilte. Der Tee war durch das in die Kugel eindringende Wasser befeuchtet worden, und die transparente Flüssigkeit hatte einen Hauch von Farbe gewonnen.
Sobald das Wasser die Innenseite der Kugel bedeckte, drehte Ishiyama diese um neunzig Grad. Wirbel peitschten silberne Glanzlichter durch das Wasser. Das Auftreffen auf den Zylinder mit den Teeblättern erzeugte hellgrünen Schaum. Das darüber spülende Wasser wurde langsam dunkler.
Wenn die Bewegung des Wassers nachzulassen drohte, neigte Ishiyama auf der Stelle die Kugel oder versetzte sie in Drehung. Mit jeder Bewegung veränderte er die Haltung und Position der Kugel, und jede Veränderung erzeugte neue, wunderbare Muster im Teewasser. Kai sah Symbole und Fabelwesen in den Wirbeln und Glanzlichtern, die Gesichter alter Freunde und Fragmente längst vergessener Alpträume. Er versuchte gar nicht erst zu verstehen, was er sah, sondern gab sich ganz der Erfahrung des Sehens hin.
Nach einer scheinbar allzu kurzen und doch gleichzeitig endlosen Zeit gestattete Ishiyama dem Wasser zur Ruhe zu kommen. Mit einer sanften, beherrschten Wiegebewegung sammelte der Teemeister die Flüssigkeit in der unteren Rundung der Kugel und drehte sie, bis die Düse an ihrem oberen Pol lag. Wie ein Zauberer zog der alte Mann plötzlich ein weiteres Objekt aus dem Ärmel seines Kimonos: eine Silbernadel von fast dreißig Zentimetern Länge, an deren einem Ende sich ein dicker Plastikzylinder mit einer Feder befand. Er senkte die Nadel durch die Düse in den grünen Tee.
Ishiyama nahm die erste blaue Schale und setzte sie auf den Plastikzylinder. Die rechte Hand stützte die Kugel am Boden ab, während er mit der Linken die Schale nach unten drückte. Kai hörte das Zischen von Flüssigkeit und sah Dampf aus der Schale strömen, aber durch seine Entfernung von dem Teemeister konnte er nicht erkennen, was Ishiyama genau tat.
Der Teemeister drückte die Schale zweimal nach unten, wartete, und wiederholte den Vorgang. Dann löste er die Schale vom Zylinder, verneigte sich tief und reichte sie Omi. Sie nahm sie mit einem Nicken entgegen und hielt die Trinkschale, als wäre sie zerbrechlich genug, um durch unvorsichtiges Anhauchen zu zerbersten. Anschließend wiederholte der Teemeister den zweifachen Pumpvorgang und reichte die zweite Schale Kai.
Er akzeptierte sie mit äußerster Vorsicht, als habe ihm jemand eine scharfe Handgranate mit gezogenem Sicherheitsstift gegeben. Gar kein so unpassender Vergleich. Der Versuch, unter schwerelosen Bedingungen eine offene Flüssigkeit zu trinken, erforderte schon extremen Wagemut oder ebensolche Neugierde. Er fand es schon mehr als bemerkenswert, daß der Teemeister den Tee aufgebrüht hatte, ohne auch nur einen einzigen Tropfen der heißen Flüssigkeit in das Zimmer zu versprühen. Sie jetzt zu trinken, konnte schwieriger werden als die letzte Verteidigung seines Championtitels.
Ishiyama verneigte sich tief vor Omi und Kai, dann griff er ein letztes Mal in seine Truhe. Er hob eine weiße Rose heraus. Die Blüte schützte er wie eine Kerzenflamme mit der Hand. Dann ließ er sie zwischen Kai und Omi treiben. Während sie durch die Luft flog,
Weitere Kostenlose Bücher