BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
die Blüte voraus, schälte der Luftwiderstand langsam ein Blütenblatt um das andere ab. Die weißen Blätter trieben davon. Kai sah dem Schauspiel fasziniert zu und wollte dem Teemeister seine Anerkennung ausdrücken, aber dieser hatte die Gelegenheit benutzt, den Raum zu verlassen.
Kai sah in seine Teeschale. Er fühlte die Wärme des Tees durch das Porzellan und lächelte. In der Rundung der Schale saß etwas, das an einen kleinen Keramikpilz erinnerte. Durch dessen zahllose kleine Öffnungen im Stamm und unter dem Schirm war der Tee ins Innere der Schale gepumpt worden. An der Innenseite der Schale, etwa ein Drittel der Strecke zum Rand hoch, hielt ein schmaler Grat den Tee zurück und verhinderte, daß er über den Schalenrand emporwallte. Von diesem Grat zog sich in einer im Uhrzeigersinn gedrehten Spiralform ein dünner Trinkhalm bis an den Rand der Schale hoch.
Mit einer winzigen Bewegung versetzte Kai den Tee in eine Drehung im Uhrzeigersinn und hob die Schale gerade rechtzeitig an den Mund, um die aus der Öffnung des Halms strömende Flüssigkeit aufzufangen. Die Wärme und der süße Geschmack des Tees brachten Kindheitserinnerungen an einfachere Zeiten vor dem Eintreffen der Clans zurück, vor dem Tod seines Vaters und seiner Flucht nach Solaris. Es tut gut, diese Erinnerungen zu haben, denn ich kann nicht mehr zurück. Oder doch?
Er schloß mit der Zunge die Trinkhalmöffnung, dann drehte er die Schale entgegen dem Uhrzeigersinn, um den Tee zurückfließen zu lassen. Er lächelte und senkte die Schale. Ihm gegenüber tat Omi es ihm hinter einem dünnen Vorhang aus Rosenblättem gleich.
»Du bist sehr aufmerksam, Kai. Häufig spritzt der Tee durch den Raum, wenn sich jemand damit nicht auskennt.«
»Ich würde lieber sterben, als diese Zeremonie zu verderben.« Er blinzelte, als ein Blütenblatt seinem rechten Auge zu nahe kam. »Es war wundervoll. Domo arigato.«
»Gern geschehen. Es war mein Geschenk für dich am Abend deines Weihnachtsfestes.«
Kai zögerte einen Moment und fühlte, wie seine Wangen heiß wurden. »Du bist zu großzügig. Verzeih mir, aber ich habe nicht daran gedacht… Ich habe kein Geschenk für dich.«
Omi tröstete ihn mit einem leichten Kopfschütteln. »Du brauchst nicht verlegen zu werden. Ich bin es, die sich einer Täuschung schuldig gemacht hat. Ich habe dich in die Enge gedrängt, obwohl es nicht meine Absicht war. Ich sehe dich als einen Freund.«
»Und ich erwidere diese Freundschaft. Vielleicht müssen sich die Nationen, deren Stellvertreter wir sind, gegenseitig Fallen stellen, aber du brauchst nur darum zu bitten, und ich werde dir alles gewähren, was in meiner Macht steht.«
Omis Miene hellte sich auf. »Du weißt natürlich, daß ich unterwegs nach Solaris bin.«
»Ja.«
»Und du kannst dir vorstellen, welche Schande damit verbunden ist, vom Koordinator dorthin geschickt zu werden.«
Der MechKrieger kniff die Augen zusammen. Bist du in Schwierigkeiten? Hast du dich mit deinem Vater entzweit? »Wir sind Freunde, Omi-sama. Andere mögen es als Entehrung empfinden, aber nicht ich.«
Sie lächelte. »Gut, dann sollte es dir nicht schwerfallen, meine Bitte zu gewähren.«
Kai sah sie fragend an.
»Kai Allard-Liao, ich möchte in deiner Loge erscheinen, wenn du deinen Titel verteidigst.«
Kais staunte nicht schlecht. »Mit Freuden, Omi, mit Freuden. Hättest du nicht darum gebeten, hätte ich es getan.« Er erholte sich von der Überraschung und verzog das Gesicht. »Aber warum? Du weißt so gut wie ich, daß im gesamten Kombinat Raubkopien des Kampfes auftauchen werden. Wenn dein Besuch auf Solaris in deiner Heimat als Schande gesehen wird, garantierst du damit, daß Billionen Menschen Zeuge deiner Schande werden.«
»Das weiß ich, Kai. Ich weiß es nur zu gut – besser als du, um genau zu sein.« Omi schaute ihn vorsichtig an. »Dieser Kampf wird der erste sein, der im gesamten Kombinat zur Veröffentlichung freigegeben wird.«
»Was?« Kai schüttelte erstaunt den Kopf. »Ich verstehe nicht.«
»Es ist ganz einfach. Diese Mission nach Solaris habe ich meinem Vater vorgeschlagen.« Omi senkte den Blick und starrte in ihre Trinkschale. »Wenn sie fehlschlägt, trage ich die gesamte Schuld, und wie es sich für ein Verbrechen dieser Größenordnung geziemt, wird es mein Ende sein.«
4
Porrima
Isle of Skye, Vereinigtes Commonwealth
24. Dezember 3055
Für Herzog Ryan Steiner war Zorn noch niemals ein hitziges Gefühl gewesen. In seinen Augen hatte diese
Weitere Kostenlose Bücher