BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
dieses verdammte Ding tatsächlich ein Zauberring war, denn es verlieh seinem Träger Ansehen und Macht. Und Verantwortung, eine Tatsache, die Männer wie Ryan Steiner nie sehen, bis sie ihr Ziel in einem blutigen Krieg erobert haben, der eine Nation in Stücke reißt. »Ryan Steiner wäre bereit, mich umzubringen, um diese Krone zu bekommen. Ich frage mich, ob er auch bereit wäre, dafür zu sterben?«
»Er will es wohl mit aller Gewalt herausfinden.«
»In der Tat.« Victor spielte mit dem Stirnreif, schlug ihn mal von der einen, dann von der anderen Seite auf den Unterarm. »Sagen Sie, Curaitis, unser Mann im Leprosorium auf Poulsbo: Wie geht es ihm?«
Die Stimme des Geheimdienstlers blieb tonlos. »Er hat sich von dem Beinbruch erholt und ist voll genesen. Er beschäftigt sich mit den Computersimulationen. Das System ist nicht vernetzt, so daß er auch elektronisch unter Quarantäne steht. Er hat keine Quellen preisgegeben und erscheint ebenso isoliert von seinem Auftraggeber wie dieser von uns. Er ist arrogant und wütend, aber seine Simulationen beweisen, daß er ein Könner ist. Allerdings gefällt ihm sein Gefängnis nicht.«
»Heimweh?«
»Möglicherweise, Hoheit.«
»Das können wir nicht zulassen, Curaitis.« Victor setzte die Krone auf. »Speisen Sie die aktuellen Daten über Solaris in sein System und halten Sie ihn auf dem laufenden. Er soll bereit sein, nur für den Fall, daß an dieser Idee eines Arbeitsfreigangs doch etwas dran ist.«
12
Gottesgnaden-Leprosorium, Poulsbo
Mark Peripherie, Vereinigtes Commonwealth
8. Februar 3056
Der Attentäter erkannte, daß er möglicherweise herausfinden konnte, auf welcher Welt man ihn abgestellt hatte, wenn er das momentane Datum in Erfahrung bringen konnte. Seine T-förmige Zelle war vom Boden bis zur Decke fünf Meter über seinem Kopf weiß getüncht. Über ihm brannten unablässig zwei helle Glühbirnen. Ohne Fenster hatte er keine Möglichkeit, das Verstreichen der Tage zu messen. Allerdings gab es Welten im Vereinigten Commonwealth, die sich so schnell um ihre Achse drehten, daß es ohnehin sinnlos gewesen wäre, Tag und Nacht zu messen.
Die drei Arme der Zelle dienten jeweils einem anderen Zweck. Er hatte die Wand, in der sich die Zellentür befand, mangels anderer Möglichkeiten willkürlich als Norden gesetzt und berechnete alle Richtungen von dort. Ihr gegenüber, an der Südwand, stand sein Bett, zusammen mit einem Waschbecken und einer Toilette. Er hatte weder Stellwände, die ihm eine gewisse Privatsphäre ermöglicht hätten, noch eine Möglichkeit, seine Augen vor dem konstanten Licht zu schützen. Er wußte, daß die Zelle von Dutzenden Lauschgeräten und Kameras überwacht wurde, deshalb sorgte er dafür, daß seine Tagesroutine tatsächlich zu einer langweiligen Routine wurde, nur um seine Bewacher zu ärgern.
Der Westflügel seiner Zelle verursachte bei ihm die meiste Erregung. Dort stand seine Tretmühle. Er benutzte das Gerät mit geradezu religiöser Regelmäßigkeit und fühlte einen gewissen Stolz, daß er ohne auch nur die Spur eines Hinkens gehen konnte. Die Chirurgen hatten ein regelrechtes Schnittmuster aus Narben auf Schienbein und Oberschenkel hinterlassen, aber er war ihnen dankbar, daß sie ihm die Möglichkeit wiedergegeben hatten, das Bein zu benutzen.
Sein Computer stand auf einem Tisch neben der Tretmühle. Er hatte mit einiger Belustigung festgestellt, daß es ein Gerät desselben Fabrikats war, mit dessen Hilfe er Melissa Steiner-Davion getötet hatte. Der einzige Unterschied lag in der Tatsache, daß dieser Computer nicht über ein Modem verfügte, das sein Verbrechen erst möglich gemacht hatte. Statt dessen war es mit einem CD-ROM-Mehrfachlaufwerk für zehn Scheiben und einer 150 Gigabyte Optikdatenfestplatte ausgerüstet, die ihm Zugang zu mehr Daten bot, als er je benötigt hatte. Der übergroße Farbmonitor und die schnurlose Tastatur gestatteten ihm, die Maschine sogar während seiner täglichen zwei Trainingsstunden auf der Tretmühle zu benutzen.
Er trat an den kastenförmigen Computer und schaltete ihn an. Der Monitor wurde hell, dann erschien das Logo des Geheimdienstsekretariats des Vereinigten Commonwealth. Während der Computer seine Speicherkapazität überprüfte und die Hilfsprogramme lud, ging der Attentäter seine eigene Realitätscheckliste durch und suchte nach Hinweisen darauf, wie er seine Lage ändern konnte.
Das Geheimdienstsekretariat wußte, daß er Melissa Steiner-Davions Mörder war. Sie
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