BattleTech 22: Fernes Land
wurde als gute Tat angesehen, besonders dann, wenn ein Mitglied die Würde zeigte, die dem hohen Amt angemessen war.
Jetzt hatte sich der Stamm im Nisthaus, dem wichtigsten Gebäude des Dorfes, versammelt, um zu hören, was die Ratgeber zu sagen hatten. Durch das Fehlen eines der Ratsmitglieder wurde diese Versammlung besonders wichtig. Die Tatsache, daß der Älteste ohne die traditionelle Benachrichtigung von ihnen gegangen war, war außergewöhnlich; nur die ältesten Ratsmitglieder konnten sich an ein ähnliches Ereignis erinnern. Und bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Tetaetae von zweihundert Jahren wollte das schon etwas heißen. Und selbst die Allerältesten konnten sich nicht erinnern, daß jemals ein Ratsmitglied ohne ordnungsgemäße Beisetzung verstorben war.
Als sich auch der letzte an seinem Platz eingefunden hatte, erhob sich Totito von seinem Platz in der Mitte des Ratskreises und setzte zu sprechen an. Er schaute sich im Kreis der Ältesten um, und sein Blick glitt über den leeren Platz. »Ratsherr Dakodo«, sagte er mit gefaßter Stimme, »bitte antworte dem Ruf des Rates.« Er wartete einen Augenblick, dann wiederholte er den Ruf. Wie es Tradition in ihrem Stamm war, wiederholte er die Aufforderung noch elfmal. Die Zwölf war eine wichtige Zahl im Leben der Tetaetae. Sie war in ihrer Religion, dem Geburtsvorgang, der Regierung und ihrem Körperbau verwurzelt.
Der fehlende Ratsherr antwortete nicht, und niemand im Innern des Saales hatte etwas anderes erwartet. Alle wußten, daß Dakodo in den Stamm der Menschen verschwunden war. Es war auch bekannt, daß die Menschen einen jungen Tetaetae mitgenommen hatten, der nie zurückkehren würde. Es war eine Zeit großer Verwirrung.
Zwölfmal suchten Totitos Blicke den Kreis der Ältesten ab. Zwölfmal forderte er Dakodo auf, seinen Platz im Kreis einzunehmen. Dann gab er die Erklärung ab. »Das fehlende Stammesmitglied antwortet nicht, und so müssen wir Dakodo der Vergangenheit überantworten. Möge sich die Gegenwart fortsetzen.«
»Ich werde den Platz meines verlorenen Bruders einnehmen«, erklang eine Stimme aus den Reihen der Versammlung. »Möge ich ebenso gute Dienste leisten wie Dakodo, wie er diente an Stelle von Tekä, wie sie diente an Stelle von Tatädi, wie er diente…« Die Tradition eines Platzes im Rat wurde definiert von denen, die ihn innegehabt hatten, und das neueste Mitglied des Rates wiederholte die Namen aller seiner Vorgänger. Die Liste war über zwanzig Namen lang, und die anderen Ratsleute warteten, bis die Litanei beendet war.
Dann hießen sie der Reihe nach das neue Mitglied willkommen, das dabei außerhalb des Kreises stehen blieb. Jeder von ihnen sprach die rituelle Begrüßung: »Willkommen, Pöpae, die dienen wird an Stelle von Dakodo, der diente an Stelle von Tekä, die diente an Stelle an Stelle von Tatädi, der diente…« Auch diese Aufzählung war vollständig, und jedes Mitglied des Rates trug sie vor.
Auf diese Weise wurden die Traditionen der Tetaetae am Leben gehalten. Sie besaßen keine Schriftsprache. Ihr Wissen und ihre Kultur wurden mündlich weitergegeben. Diese Übermittlung, die bei den frischgeborenen Kindern begann und erst mit dem Tod endete, war ein zeitraubender Vorgang, aber die Tetaetae konnten sich den Luxus des Vergessens nicht leisten. Wenn eine Gesellschaft die Möglichkeit hat, ihre Geschichte aufzuschreiben, können ihre Mitglieder die eigene Geschichte vergessen. Einmal aufgeschrieben, wird sie als sicher betrachtet. Und wenn sie gesichert ist, wozu brauchte sie dann noch jedes Mitglied der Gemeinschaft im Gedächtnis zu tragen?
Nachdem Pöpae in den Kreis der Ältesten aufgenommen war, konnte der Rat sich der Diskussion ihrer Lage widmen. Totito verkündete die Frage vor der Versammlung, wie es seine Aufgabe war. Die Position des Häuptlings wich von der Stellung der Ratsmitglieder ab. Der Häuptling war der Verwalter des Stammes und agierte mehr als Gesprächsleiter denn als Ratgeber. Seine Aufgabe war es, das anstehende Problem und zum Abschluß der Diskussion die Antwort zu formulieren, aber an der Entscheidung selbst hatte er keinen Anteil. Wenn der Häuptlingsposten frei wurde, wurde er durch das am besten für alltägliche Verwaltungsaufgaben geeignete Stammesmitglied ersetzt. Dieser Nachfolger mußte vom gesamten Stamm akzeptiert werden, und er wurde festgelegt, lange bevor die Nachfolge akut wurde. In manchen Fällen war die Position erblich, aber das konnte
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