BattleTech 22: Fernes Land
das Gelände zu donnern, daß er nichts erkennen konnte. Selbst bei dieser Geschwindigkeit mußte er den Bug des FLUM deutlich nach oben ziehen, um die Herrschaft über die Maschine zu behalten. Das chaotische Mauersystem der südlichen Enklave zuckte unter den Tragflächen vorbei, und er befand sich über der Stadt.
Die Menschen auf den Straßen reagierten genauso, wie es Seagroves erwartet hatte: Sie blieben stehen und starrten entgeistert zu ihm hoch, oder sie rannten in den Schutz der Gebäude. Seagroves raste über die Stadt und ließ erregte und erstaunte Menschen hinter sich zurück. Die Nordwand der Stadtmauer zuckte unter ihm vorüber. Bis jetzt hatte er nichts Unerwartetes bemerkt… außer… Irgend etwas in dem Gewirr der Straßen und Gebäude hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Etwas, das eine nähere Betrachtung wert war, aber er war sich nicht im klaren, was es war. Er wendete den FLUM und überflog die Dächer der Stadt ein weiteres Mal. Und jetzt sah er es! Alles war voller Gold.
Seagroves' Puls raste. Das war Gold. Kein Zweifel möglich. Und die Stadt war voll davon. Er fühlte, wie seine Hände schweißnaß wurden. Er suchte nach einem Landeplatz. Knapp voraus war eine Lücke zwischen den Gebäuden. Eigentlich brauchte er mehr Platz, um den FLUM aufzusetzen, aber jeder Gedanke an Vorsicht war vergessen. Seagroves zerrte den Steuerhebel zurück, streckte die Hand aus und schaltete auf Bodenmechmodus um. Mit einem Zittern senkten sich die Mechbeine. Die Kanzel wurde durchgeschüttelt, als die riesigen Metallfüße auf etwas Festes trafen.
16
Staubwolken stiegen rund um den FLUM auf, als er in aufrechter Position aufsetzte. Seagroves blinzelte durch die Kuppel des Kanzeldaches. Sein Herz raste. Er konnte es kaum erwarten, nach draußen zu kommen. Er hämmerte auf das Schloß der Sicherheitsgurte und bemerkte nicht einmal, daß sie sich schon beim ersten Schlag gelöst hatten. Um keine Zeit zu verlieren, schob er die Steuerhebel beiseite und öffnete die Notfallausstiegsluke im Kanzeldach, statt wie im Normalfall die rückwärtige Luke und die Kettenleiter zu benutzen. Das Koaxialkabel des Neurohelms schnürte ihm die Luft ab, als er aus dem Pilotensitz aufsprang. Er sank zurück in die Polster und löste die Halterung.
Das plötzliche Hindernis ließ ihn stocken. Er legte die Hand auf die Brust und fühlte sein Herz im Stakkato hämmern. Ich muß mich beherrschen, sagte er sich. Was, wenn die Leute da draußen bewaffnet sind? Was, wenn sie das Feuer eröffnen. Ich muß vorsichtiger sein. Er zwang sich, tief durchzuatmen. Ah, dachte er, das war besser. Er wartete, bis sich ein Teil des Staubs verzogen hatte und der Sichtschirm ein klareres Bild lieferte.
Da war die Stadt. Das Gebäude unmittelbar vor dem FLUM gehörte zu den größeren Häusern, die er bei den beiden ersten Vorbeiflügen gesehen hatte. Die Fassade war von den Triebwerksflammen des FLUM beschädigt, und Pflasterbrocken, die vom Aufprall der Mechfüße davongeschleudert worden waren, hatten einige Krater hinterlassen. Die Öffnungen in der Fassade waren höchstwahrscheinlich verglast gewesen, aber nach der gewaltsamen Landung von Seagroves' Maschine waren sie leergefegt. Leere Maueröffnungen starrten den FLUM-Piloten an. Vielleicht hätte Seagroves Bedauern über den Schaden verspüren sollen, den er angerichtet hatte, aber das Gefühl, das seinen Körper in diesem Moment durchströmte, war völlig anderer Natur. Selbst in den Trümmern konnte er das Glitzern von Gold erkennen.
Er beugte sich in seinem Sitz vor, um besser sehen zu können und kniff die Augen zusammen, um durch den langsam zu Boden sinkenden Staub die hellen Lichtpunkte in allen Fenstern zu erkennen. Die Fensterriegel waren aus Gold. Gold! GOLD! Seine Kehle trocknete aus. Das mußte das wichtigste Gebäude der gesamten Enklave sein. Seine Bewohner waren so reich, daß sie ihre Fenster mit goldenen Beschlägen ausstatten konnten. Er kicherte. Er sah wieder hinaus. Das überstieg seine Vorstellungskraft.
Die Fensterbeschläge waren aus Gold. Ebenso wie die Klinken der hohen Türen unmittelbar vor dem FLUM. Und die Türangeln. Und die Klopfer. Und die Lichtschalter an den Wänden. Sein Blick wanderte hinab auf die Straße. Die Straßenlaternen waren aus Gold. Ebenso wie die Gullideckel. Seine kühnsten Träume waren Wahrheit geworden. Er war so beschäftigt damit, die Reichtümer zusammenzuzählen, daß er gar nicht bemerkte, wie sich die Menschen in den Straßen
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