BattleTech 24: Auge um Auge
studierte das Porträt des Großvaters des derzeitigen Grafen. Er kultivierte noch immer gehorsam sein Empfinden für Schönheit, auch wenn er noch nicht so ganz begriff, was ein Sinn für Ästhetik mit den Aufgaben eines Meuchelmörders zu tun hatte. Hier war endlich einmal etwas, das er fast zu schätzen wußte. Der alte Graf war offenbar ein Krieger gewesen, ein Draconier bis ins Mark, mit stechenden Falkenaugen und unnachgiebiger Stirn und mit vorgeschobenem Kinn. Der Maler schien ihn porträtiert zu haben, als er gerade vor Zorn gegen die Feinde des Hauses Kurita die Zähne zusammenbiß.
Dennoch fühlte sich Ninyu ein wenig erleichtert, als hätte man ihm eine Last von den Schultern genommen, als er sich von der Kunst abund dem Geschäft zuwenden konnte.
»Euer neues Spielzeug«, sagte er. »Sie hat Chandrasekhar Kurita gehört.« Es war eine schlichte Feststellung, keine Frage.
Der Schirmherr nickte. Er trug noch immer seine Reithosen und – Stiefel. »Hat sie. Aber nicht mehr.«
»Woher wißt Ihr, daß sie keine Spionin ist?«
»Sie hat einen von Chandrasekhars Leibwächtern mit einer Waffe erschossen, die einem Mitglied meiner Garde gehört. Ich glaube kaum, daß selbst Chandra-sekhar so weit ginge.«
»Gaijin-Söldner sind leicht zu beschaffen.«
»Ich habe ihren Hintergrund gründlich überprüft. Sie ist, was sie zu sein vorgibt, ein schlichtes Opfer von Chandrasekhars Gelüsten.«
»Ich will, daß sie verhört wird.«
»Nein.«
Vernarbte Brauen zogen sich über schwarzen Augen zusammen. »Ich könnte sie mitnehmen.«
»Bei allem Respekt, aber was sollte das bringen? Sie ist hier nicht in der Lage, irgend etwas zu erfahren, das den Feinden des Drachen nützen könnte.« Er schüttelte den Kopf. »Sie hat schon genug durchgemacht, das arme Kind. Ich werde nicht zulassen, daß Sie sie Ihren Verhörmethoden unterziehen, nicht einmal den sanftesten. Mein Wort darauf: Sie braucht Chandrasekhar Kurita ebensowenig wie Sie oder ich oder sonst jemand auf Hachiman.«
Einen Augenblick lang bohrten sich diese schwarzen Augen in Fillingtons, wobei Ninyus Gesicht eine Maske kaum kontrollierter Wut war. Ein Muskel an der Seite des Kiefers des Schirmherrn zuckte, aber er hielt dem Blick stand.
Ninyu schüttelte den Kopf, als habe er sich selbst im Nacken gepackt. »Es ist egal. Ich bin gekommen, um Euch zu sagen, daß wir startbereit sind.« Nach einer Pause fuhr er zögernd fort: »Beigeordneter Direktor Katsuyama hat mich informiert, daß das Meinungsklima günstig ist.«
Percys Lächeln trug eine Spur von Erleichterung. »Bestens. Wann schlagen wir los?«
»Morgen.« Die vernarbten Lippen zeigten so etwas wie ein Lächeln. »Und selbst wenn Chandrasekhar Kurita jede Einzelheit des Planes kennen würde, könnte nichts auf dieser oder einer anderen Welt uns aufhalten.«
Masamori wurde oft als Stadt der Bronzetürme beschrieben. Der höchste ihrer asymmetrischen Wolkenkratzer im Yamatostil war das Verwaltungshauptquartier von Tanadi Computer, das zweihundertfünfzig Stockwerke über dem dichtgedrängten Herzen der Stadt schwebte.
Als eine schlanke blonde Sekretärin die Ankunft des Schirmherrn des Planeten meldete, stand der Marquis Redmond Hosoya, Tanadis oberster leitender Angestellter, mit dem Rücken zu seinem überraschend kleinen Büro und starrte aus dem Fenster nach Osten zum Fluß – und zum gewaltigen Rechteck des HTE-Komplexes. Morgendliches Sonnenlicht floß durch den Raum und verlieh ihm eine ganz unechte Heiterkeit.
»Ah, Euer Exzellenz«, sagte der Marquis und drehte sich nach der sorgsam berechneten Unverschämtheit einer herzschlaglangen Pause um. »Wie schön, Euch zu sehen.«
Er verbeugte sich und trat zum Händeschütteln vor. Er war wie sein Büro: kompakt, aber makellos und teuer ausgestattet. Sein Haar, die Koteletten und der Schnurrbart waren dicht und weiß wie der ewige Schnee auf den höchsten Trimurtigipfeln. Er trug einen dunklen Anzug, dessen strenger Schnitt und strenge Farbe allein schon eine scharfe Aussage waren – und vielleicht ein bewußter Kontrast zu Onkel Chandys scharlachroter Robe.
Die Verbeugung des Marquis war flüchtig, aber Percy, der dieses Spiel schließlich schon sein ganzes Leben lang spielte, schlug ihn mit einer Verbeugung, die nur wenig mehr war als ein kurzes Nicken seines eleganten Kopfes. Sein Handschlag war fest wie ein Backstein. Trotz Hosoyas Verhalten und seiner kostspieligen Maniküre hatten die breiten Schultern und die faßförmige Brust etwas, das vermuten
Weitere Kostenlose Bücher