BattleTech 24: Auge um Auge
Gesicht. Offenbar mochte er es nicht, wenn sein Gast sich mit Gedanken an ihren früheren ›Arbeitgeber‹ belastete.
»Ich schätze, weil Chandrasekhar so viel von dem verkörpert, was im Kombinat schiefläuft«, sagte er. »Er hat seinen Familiennamen ausgenutzt, um ein unglaubliches Vermögen anzuhäufen. Doch es fehlt ihm so augenfällig an allen traditionellen Kurita-Tugenden, daß er als Werbeträger für Dekadenz geeignet wäre.«
Cassie nickte und wandte ihre Aufmerksamkeit der Katze zu, die nichts anderes erwartet hatte. Ihrer Erfahrung nach waren die einzigen Kurita-Tugenden, die Onkel Chandy fehlten, streng-einfache Lebensführung und der Hang zum Kriegführen. Sie war jedoch nicht hier, um den jungen Percy über dieses Thema aufzuklären. Aber sie war neugierig, wollte wissen, warum genau der Schirmherr ihrem Arbeitgeber solchen Haß entgegenbrachte.
»Er scheint seine Arbeiter gut zu behandeln – hat ihren Lohn erhöht, ihre Stunden verkürzt, woraufhin der alte Redmond einen Anfall bekommen hat, das kann ich dir sagen. Aber er beutet sie aus und zerschlägt skrupellos jede Opposition. Und er hat Sumiyamas Versuche, HTE-Arbeiter zu organisieren, um ihre Rechte zu verteidigen, brutal unterdrückt.«
Es war durchaus möglich, daß Seine Exzellenz naiv genug war, um nicht zu bemerken, daß der von der Sumiyama-kai gesponserte Brüderliche Arbeiterschutzbund nach außen hin eine Gewerkschaft, in Wirklichkeit nur eine weitere Yakuza-Organisation war, die Geld von den schon lange leidenden Arbeitern erpreßte. Das Kombinat hielt viel auf seine Arbeiterverbindungen, aber natürlich waren wirklich unabhängige Organisationen nicht erlaubt; und die Verbindungen wurden unweigerlich von den örtlichen Yakuza-Organisationen dominiert.
Es war nicht nur möglich, daß Percy naiv war, zumindest nach Cassies Urteil war er es – und Cassie kannte ihre Ziele. Aber es lag nicht daran, daß er dumm war oder einfach nur stupide. Sie fand, er sei ein wirklich intelligenter Mann mit raschem Auffassungsvermögen und beweglicher Phantasie.
Er war sogar ein kleiner Kriegsheld, ein ausgebildeter MechKrieger, der sich in den frühen Vierzigern während der wenig intensiven, aber unablässigen Scharmützel sowohl gegen das VK-Militär als auch gegen die Liga Freier Welten im Feld ausgezeichnet hatte, die dem Vierten Nachfolgerkrieg folgten. Mit fünfunddreißig Standardjahren wurde er allgemein zehn Jahre jünger geschätzt.
Aber wie alle anderen auch hatte ihn seine Erziehung geformt. Und es schien, als hätten alle Beteiligten, von seinem tyrannischen Großvater Rex, dessen wildes Porträt mit den weißen Brauen wie ein Wachdämon von der Wand herabfunkelte, über vor Ort verwurzelte Kräfte wie Tanadi und der Yakuza bis hin zum Koordinator des DraconisKombinats ein Interesse daran, ihn zur Ineffizienz zu formen. Percy Fillington war verformt und beschnitten worden wie ein Bonsaiahorn; und Cassie wunderte sich, daß er überhaupt noch soviel Haltung und Persönlichkeit aufzubringen vermochte.
Sie konnte immer noch nicht aufhören, ihn zu mögen, eine Tatsache, die sie ständig überraschte und beunruhigte. Er war schließlich nur ein Ziel. Und wenn sie ein Ziel wirklich zur Person werden ließ, konnte sie den Auftrag vergessen. Sie würde dann den Instinkt verlieren und beginnen, Fehler zu machen. In ihrer Jugend hatte Cassie andere Leute, die in Tarnung agierten, diesen Weg gehen und erwischt werden sehen – oder am Ende selbst betrogen werden. Sie hatte geschworen, daß ihr das nie passieren würde.
»Er ist seit der Party ständig hinter mir her, weißt du«, sagte der Schirmherr, kam herüber und trat hinter sie. »Er bombardiert mich Tag und Nacht mit Forderungen und beschwört mich. Er fiebert danach, dich wiederzubekommen. Was ich natürlich durchaus nachvollziehen kann.«
Wieder konnte sie seine Begierde spüren, sie zu berühren. Diese Begierde war nicht sexuell – oder zumindest nicht ausschließlich. Er wollte sie halten, trösten.
Üblicherweise bereiteten ihr solche Empfindungen das gleiche Vergnügen wie einem Angler der Moment, in dem ein Fisch anbeißt. Diesmal erregte und verwirrte sie Percys Verhalten, selbst wenn es ganz plangemäß war.
Meistere dich selbst, pflegte Guru Johann zu sagen, und du kannst jede Situation meistern. Scheitere in deiner Selbstbeherrschung, und du vermagst nichts zu steuern.
Sie wandte sich um, noch immer auf den Knien, und nahm eine seiner Hände in die ihren. »Euer Exzellenz ist
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