BattleTech 24: Auge um Auge
Cassie hatte keine Ahnung, wer er war, aber sie kannte ihn. Nach seiner Präsenz und seiner Haltung zu schließen, der Art, wie er mit nach vorn verlagertem Gewicht einem Boxer ähnlich auf den Ballen stand, war er der Tod.
Auch seine Bodyguards waren ein ganz besonderer Fall. Im Gegensatz zu Sumiyamas Leibwächtern waren sie kompakt, beide nicht so groß wie der Rotschopf, ein Mann und eine Frau, gesichtslos, von Kopf bis Fuß in Schwarz mit undurchsichtigen Transpex-Visieren. Beide trugen ein kompaktes Shimatsu-42 Sturmgewehr. Beide hatten ein Schwert auf den Rücken geschnallt.
Auch sie waren der Tod. Cassie hatte diese Aufzüge nie zuvor leibhaftig gesehen – nur in Spionageberichten und etwa hundert ActionHolodramen. Das da war das Outfit des Draconis-Elite-Einsatzteams. Die Anzüge waren aus kugelsicherem Panzerstoff, für chemische und biologische Kampfstoffe undurchlässig. Sie verfügten über ein großes Spektrum von Sensoren, darunter Infrarot, und hatten wie BattleMechs einen Sehschlitz oben am Visier, der auf kleinem Raum ein 360-Grad-Sichtfeld präsentierte. Es war schwer, sich an Mitglieder der Spezialeinheiten des Drachen anzuschleichen.
Aber DEST-Mitglieder brauchten die Anzüge nicht, um diesen Ruf zu erringen. Sie waren Meister des Kampfsports, der Lautlosigkeit und jedes dem Menschen bekannten Waffensystems. Sie waren bis hart an den Rand der Psychose gedrillt und bereit, auf der Stelle zu sterben, wenn der Drache es verlangte. Oder auch nur aufgrund einer seiner vorübergehenden Launen.
Wenn es keine Attrappen waren – nein, Cassie konnte den rothaarigen Mann bis hierher spüren. Er brannte da am Boden wie ein Stern der Bedrohung. Wenn er wollte, konnte er beide Männer Sumiyamas in der Zeit, die sie zum Blinzeln brauchten, ausschalten, ohne daß seine eigenen Wachen auch nur ihr Gewicht zu verlagern brauchten. Ein solcher Mann würde sich nicht einmal mit Wachen abgeben, die nicht voll qualifiziert waren, die DEST-Kommandoausrüstung zu tragen.
Cassie dachte ihre Pläne neu durch, während sie durch den Spalt zwischen den Kisten ihren kleinen Corder ausrichtete. Ein solcher Mann würde sich überhaupt nicht mit Wachen abgeben – zumindest nicht mit sichtbaren -, wenn er nicht Eindruck machen wollte. Er trug diese beiden wie ein Ziertaschentuch, aber sie waren fast sicher nicht die beiden einzigen. Die anderen taten vermutlich, was DESTAgenten tun sollten: nicht gesehen werden.
Und suchten sie. Oh, sie wußten nicht, daß sie hier war – noch nicht, sonst wären sie ihr schon in die Ohren gekrochen. Aber sie würden das Lagerhaus mit Bewegungsmeldern und IR-Scannern und partikelsammelnden Personenschnüfflern durchkämmen. Sie würden auch nicht vergessen, nach oben zu schauen. Es war tatsächlich ziemlich sicher, daß sie daran dachten, eine Streife nach oben auf die Kistenstapel zu schicken…
Sie spähte durch den Sucher und schwenkte den kleinen Corder nach links, von Sumiyamas Gruppe zu dem rothaarigen Mann, dann zurück, nur um sicherzustellen, daß sie von beiden wiedererkennbare Bilder aufnahm. Das kleine Gerät besaß ein hochempfindliches Richtmikrofon. Sie konnte es nicht abhören. Sie würde nicht mit einem Knopf im Ohr, der ihr Gehör störte, in feindlichem Gebiet herumrennen, wenn sie es verhindern konnte. Cassie war keine besonders gute Lippenleserin, und Kazuo Sumiyama hatte ohnehin keine besonders ausgeprägten Lippen, aber sie war völlig sicher, daß sein Mund die Silben ›Chandrasekhar Kurita‹ formte.
Dann war sie weg. Zurück zu der Seitentür, deren Schloß sie geknackt hatte. Sie war leise, aber vor allem war sie schnell. Doch keine ihr zur Verfügung stehende Kunst konnte sie lange vor den Männern und Frauen in Schwarz verbergen.
Zweimal erblickte sie schwarze Anzüge. Einmal unter ihr, entlanghuschend, das Sturmgewehr im Anschlag, einmal zwanzig Meter entfernt über die Kisten kriechend. Beide Male duckte sie sich so schnell sie konnte aus der Sichtlinie.
Die DEST-Visiere boten Rundumsicht, aber die Bilder waren nicht besonders klar. Cassie hatte Nachahmungen solcher Minianzeigen gesehen. Man brauchte allerhand Training, um bildlich umzusetzen, was sie einem zeigten. Sie waren wunderbar, um zu verhindern, daß jemand sich von hinten anschlich und einen niedermachte, aber ihre Bewegungsempfindlichkeit war eher geringer als die der unverstärkten Randsicht einer ausgebildeten, aufmerksamen Person.
Und die DEST-Agenten waren zwar so dicht am Übermenschen
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