BattleTech 25: Die Kriegerkaste
Überraschung für Sun-Tzu. Hätte seine Mutter eine Allianz mit Thomas Marik abgeschlossen und dann erfahren, daß Thomas Victor Davion ein Friedensangebot gemacht hatte, hätte sie in einem Ausbruch blinder Wut die Hinrichtung eines jeden befohlen, dem in den letzten drei Generationen irgendwelche Verbindungen zur Liga Freier Welten nachgewiesen werden konnten. Die Straßen wären in Blut geschwommen, und von allen Bäumen und Laternen Sians hätten Leichen gehangen.
Glücklicherweise bin ich nicht meine Mutter.
Schon als Thomas den Schwarzen Kobras den Befehl erteilt hatte, Nanking zu sichern, hatte Sun-Tzu gewußt, daß diese öffentliche Unterstützung das Vorspiel zu irgendeinem Verrat sein mußte. Und er
wußte, wenn er sich bei Thomas über den vorzeitigen Abbruch der Feindseligkeiten beschwerte, würde dieser ihm mit einem Aphorismus über die Tugend der Geduld antworten.
Mag sein, daß nicht jede Perle der Weisheit, die der Menschheit bekannt ist, von Jerome Blakes Lippen stammt, doch so, wie seine Jünger ihn zitieren, würde man nie darauf kommen.
Da er Thomas' Schritt vorhergesehen hatte, fühlte sich Sun-Tzu nicht verraten. Außerdem sah er ein, daß die Invasion entweder enden oder eskalieren mußte, was früher oder später die gesamte Innere Sphäre involvieren würde. Und so verzweifelt er auch darum bemüht war, die Welten zurückzuerobern, die Hanse Davion der Konföderation Capella gestohlen hatte, wollte Sun-Tzu doch auch keinen Ausbruch des totalen Krieges. Auch wenn andere Häuser der Inneren Sphäre zwischen ihm und den Clans standen und auch wenn er Gerüchte gehörte hatte, denen zufolge die Clans untereinander kämpften und sich gegenseitig schwächten, sie blieben eine Gefahr für sie alle, die bald genug wieder akut werden würde. Sun-Tzu wollte die Innere Sphäre nicht von innen geschwächt wissen, wenn diese Zeit kam.
Katrina Steiner hatte angeboten, ihrem Bruder Sprungschiffe zu verkaufen. Falls Victor darauf einging, würden in Kürze seine Truppen in die Mark Sarna einfallen, um Sun-Tzus Gebietsgewinne rückgängig zu machen. Thomas betrachtete die Mark offensichtlich als Puffer zwischen Victor und den Welten, die er für die Liga zurückerobert hatte. Sun-Tzu widerstrebte es, seine Systeme als Schlachtfelder für die Kriege anderer Nationen zu sehen, aber er war bereit zuzugeben, daß diese Welten auch ihm eine Pufferzone lieferten. Wäre die Marik-Liao-Invasion noch im Gange, wenn Victor seine Schiffe zurückbekam, bestand die Gefahr, daß er sich entschloß, zu vollenden, was sein Vater begonnen hatte, und die Konföderation Capella direkt angriff. Ein Waffenstillstand würde ihn zu Operationen veranlassen, deren Ziel der Rückgewinn verlorener Systeme war, nicht die Eroberung neuer.
Sun-Tzu lehnte sich in Justin Allards Sessel zurück und lächelte. Die eine feststehende Tatsache, was die Davions betraf – die Tatsache, die sein Großvater ignoriert und die seiner Mutter Alpträume bereitet hatte – war, daß die Davions an Vergeltung glaubten. Wenn man ihnen etwas wegnahm, holten sie es sich zurück. Wenn man einen der ihren tötete, töteten sie im Gegenzug ebenfalls. Also würde Victor, das Ebenbild seines Vaters in klein, erst versuchen, die Welten zurückzugewinnen, die Sun-Tzu ihm abgenommen hatte, bevor er sich neuen Eroberungen zuwandte.
Einen Augenblick fragte sich Sun-Tzu, ob er nicht möglicherweise basierend auf dem, was er über Victors toten Vater wußte, dessen bevorstehende Aktionen völlig falsch einschätzte. Als er zusammen mit Victor auf Outreach gewesen war, hatte er den Eindruck gewonnen, der Sohn sei gefährlicher als der Vater, allein schon durch seine Entschlossenheit, aus dem Schatten Hanse Davions zu treten. Aber seit Hanses Tod hatte Victor eine Kette von Fehlern begangen, die ihn bereits sein halbes Reich gekostet hatten. Es schien fast, als sei Hanse ein Anker für seinen Sohn gewesen, und jetzt, wo er tot war, fehlte diesem jeder Orientierungspunkt.
Als Davion, von Davion-Geschichte durchdrungen, fiel er auf den typischen Charakter seiner Familie zurück. Victors scheinbar emotionslose Reaktion auf den Tod seiner Mutter entsprach exakt dem, was man von Hanse hätte erwarten können. Auch der Einsatz eines Doppelgängers für Joshua Marik war die Art Trick, die zu Hanse Davion gepaßt hätte. In seinem ziellosen Umherstolpern war Victor in die Fußstapfen seines Vaters getreten, und wahrscheinlich war er sich dessen nicht einmal
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