BattleTech 26: Robert Thurston - Ich bin Jadefalke
Ziel heiligt die Mittel – so verräterisch und abstoßend sie auch sein mögen.«
Karlac schüttelte ungläubig den Kopf. »Dreckige Freigeburten.«
Das Stimmengewirr draußen in der Höhle wurde lauter. Wahrscheinlich durch die engen Gänge verzerrt, hatte es einen gespenstischen Klang.
»Karlac?«
»Sie sehen wütend aus. Sie haben ganz eindeutig die Leichen ihrer Kameraden entdeckt.«
»In diesem Büro sind wir perfekte Zielscheiben«, stellte Alvar fest und beeindruckte Joanna durch seine Gelassenheit.
»Pos. Ich bezweifle, daß irgendeiner von uns hier noch viel ausrichten kann.«
»Stimmt. Es wird Zeit, die Informationen unseren Clans zu überbringen.«
Joanna trat an die Tür und stieß Karlac grob zur Seite. Deren Augen funkelten in neu erwachter Wut. Sie war offensichtlich beleidigt. »Mach genau das, was ich dir sage«, herrschte Joanna sie in ihrem besten Falknerinnenton an. »Es ist wichtig, daß…«
Sie vollendete den Satz nicht. Ein bewaffneter Tech schien plötzlich vor ihr zu materialisieren. Er prallte gegen den Türpfosten und stürmte in den Raum, die Waffe genau auf Joanna gerichtet. Da ihre Pistole noch im Holster steckte, war er im Vorteil.
Aber nicht Karlac gegenüber.
»Erwischt«, knurrte der Tech.
»Stimmt«, meinte Karlac und schoß ihn mit der Pistole, die Alvar ihr kurz vorher zurückgegeben hatte, nieder. »Wo kommt dieses Stück Dreck her?« fragte sie, und stieg über den Leichnam.
»Er muß an der Tür gekauert haben.«
»Er hat uns belauscht? Gut, daß er tot ist.«
»Ich bin beeindruckt von deiner Skrupellosigkeit, Karlac«, meinte Joanna. »Vielleicht habe ich dich doch falsch eingeschätzt.«
»Du hast mich für eine Spionin gehalten, frapos?«
»Pos.«
»Und als du das nicht mehr glaubtest, hast du mich als ausgebrannte Solahma-Kriegerin abgeschrieben, frapos?«
»Pos. Du warst zu vorsichtig, und du hast keinen Widerwillen beim Tragen von Techkleidung gezeigt, und…«
»Genug. Du hast recht. Aber manchmal erinnere ich mich, daß ich einmal eine Kriegerin war.«
»Du bist es immer noch.«
»So leid es mir tut, euch bei eurer gegenseitigen Beweihräucherung zu unterbrechen«, mischte Alvar sich ein, »aber ich frage mich, wie wir hier herauskommen sollen? Da draußen wimmelt es von bewaffneten Techs, und es gibt nur einen Ausgang aus der Höhle. Sie werden uns nicht entkommen lassen.«
»Wir kommen hier raus«, meinte Joanna, und wandte sich zur Tür. »Keine Angst. Wir haben einen Vorteil, den die dort draußen nicht haben.« Joanna blickte hinaus und sah Techs in beide Richtungen durch das Hauptportal hasten. Die Entfernung bis zur Oberfläche Doggs schien unendlich. Der Weg bis zum Lift würde stockfinster sein, und der Aufzug selbst war ein monströses Gebilde. Ihre Chancen waren mikroskopisch klein.
»Was für einen Vorteil könntest du haben?« fragte Karlac.
»Mein Vorteil?« fragte Joanna, als sie die Tür öffnete und ins Freie trat.
»Ja.«
»Ich bin Jadefalke.«
28
Befehlszentrale der Clanwache
Zentrales Jadefalken-Hauptquartier
Wotan, Jadefalken-Besatzungszone
15. November 3057
Kael Pershaw rückte mit dem natürlichen Arm seine um ein, zwei Zentimeter verrutschte Halbmaske zurecht. »Ich kann nicht offen sprechen, Joanna, aber soviel kann ich dir sagen: Was du entdeckt hast, geht möglicherweise weit über einzelne genetische Manipulationen durch unsere Jadefalken-Wissenschaftlerkaste hinaus. Ich habe schon seit einiger Zeit den Verdacht, daß ein verschwörerisches Netzwerk die Wissenschaftlerkasten zahlreicher Clans verbindet – möglicherweise die aller Clans.«
»Aber warum? Was haben sie vor?«
»Es steht mir nicht frei, das zu diskutieren, insbesondere nicht, solange noch so viel auf purer Spekulation beruht. Aber ich vermute,
daß sich die Wissenschaftlerkasten irgendwie abgesondert haben, beinahe, als hätten sie einen eigenen, separaten Clan geformt. Um ehrlich zu sein, mir gefriert das Blut in den Adern, wenn ich nur daran denke.«
Soweit es Joanna betraf, waren für sie Kael Pershaws Adern schon immer vereist gewesen. Wenn die Flüssigkeit in seinem Innern jetzt noch kälter wurde, ließ sie das an Temperaturen denken, mit denen verglichen der von Eisschollen bedeckte Sudetensee tropisch anmutete.
»Aber zumindest haben deine Entdeckungen meine Vermutungen untermauert. Die Informationen, die du bei deiner Mission gesammelt hast, habe ich an den Khan weitergeleitet. Es wurden nur ausgewählte Mitglieder des Konklave davon in Kenntnis gesetzt.«
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