BattleTech 29: Pflichtübung
Bisher wurde der Kampf mit beinahe desinteressierter Zurückhaltung geführt. Der größte Teil der Expeditionskräfte war in einem provisorischen Lager neben dem Vorratsdepot versammelt, das sich knapp südlich des Dorfes, zwischen Zellners Leitstand und Feuerbasis Alpha, im Bau befand. Vor dem Wald im Südwesten wurden Infanteriestellungen ausgehoben.
Trillernd meldete sich ein Kommunikator, und Seymour hob den Kopfhörer vom Sims unterhalb des Ostfensters. »Seymour.« Er hörte kurz zu, dann grunzte er: »Sehr gut. Halten Sie Position und lassen Sie sie nicht aus den Augen. Leitstand Ende.«
»Wer war das?«
»Malischnikow, auf Hügel Zwo-Zwölf. Er hat etwas entdeckt, es scheint eine große Gruppe Mechs zu sein, die sich im Südwesten durch den Wald bewegt.«
Zellner sah auf die Karte. Hügel 212 war der größere der beiden abgerundeten Berge, die östlich und nordöstlich jenes Kamms lagen, der die linke Flanke der Davion Guards markierte. Dort war eine Kompanie leichter und mittelschwerer Mechs postiert, mit dem Befehl, die erhöhte Stellung um jeden Preis zu halten. Wenn Malischnikow weiter östlich feindliche Mechs gesichtet hatte…
»Denken Sie dasselbe wie ich, Marschall?« Seymour grinste. »Carlyle hätte seinen Gegner beinahe wieder getäuscht.« Beinahe.
»Vier zu eins, daß Hauptmann Carlyles Truppen von Osten kommen.«
»Was schlagen Sie vor?« Zellner fühlte sich leicht überfordert. Er hatte diesen Teil der Schlacht haargenau und eingehend durchgeplant und alles darauf gesetzt, daß Carlyle so vorging, wie er es von der ausspionierten Besprechung her wußte. Jetzt fiel alles auseinander.
»Wir ziehen das 3. Bataillon aus dem Lager und bringen es hinter den Hügeln Zwo-Zwölf und Eins-Neunzig in Stellung. Das 2. Bataillon bleibt in Reserve und verstärkt unsere Linien auf dem Kamm. Ich vermute, Carlyle wird uns dort bald angreifen, als Ablenkungsmanöver. Wir sollten ihn in dem Glauben lassen, daß er damit Erfolg hat.«
Zellner schob farbige Lichtpunkte auf seiner Karte umher. »Ja. Ja, sieht gut aus«, lachte er, erleichtert, daß die Ungewißheit vorbei war. »Wir werden diesen Bastard erledigen, Jim!«
»Warten Sie noch mit der Siegesfeier, Marschall«, warnte Seymour. »Carlyle ist ein Gegner, den ich nicht unterschätzen würde!«
»Natürlich, natürlich«, wiegelte Zellner ab, aber für ihn war die Angelegenheit gelaufen. Bis zu diesem Augenblick schien ihm die Tatsache, daß er nicht sicher gewußt hatte, was der Graue Tod tun würde, der eine entscheidende Faktor gewesen zu sein, der alles noch hätte verderben können… und das, nachdem er sich so verflucht sicher gewesen war, zu wissen, was Carlyle plante. Aber jetzt hatte er Gewißheit. Jetzt konnte er zuversichtlich agieren, in dem Wissen, von wo der alte Bastard Carlyle angreifen würde, konnte sich auf klare Zahlen stützen. Laut Dupre – und dessen Bericht war von mehreren anderen Quellen bestätigt worden – konnte der Graue Tod auf Caledonia nicht mehr als fünfunddreißig bis vierzig Mechs aufbieten, was mehr oder weniger auf ein Bataillon hinauslief. Zellners Expeditionstruppe umfaßte achtundsechzig Mechs, zwei komplette Bataillone abzüglich einer Handvoll Ausfälle, plus einer Regiments-HQ-Kompanie, einer Artilleriebatterie und einem unterstützenden Infanterieregiment.
Und dann bestand da noch die Chance, daß Dupre erfolgreich gewesen war und seine kleine Überraschung in Grayson Carlyles Kampfkoloß hatte verstecken können. Seine Nachricht hatte die Mitteilung enthalten, daß er sich vor zwei Tagen Zugang zu Graysons Victor verschaffen konnte. Falls Dupre umgedreht worden war, handelte es sich dabei natürlich um eine Lüge, aber wenn nicht…
Das 3. Bataillon des Grauen Tods hatte gegen diese Übermacht keine Chance.
Und Oberst Grayson Carlyles Tod in der Schlacht würde das Schicksal der Legion besiegeln.
Trotz des Schnalzens und Schepperns, mit dem qualmende Granatsplitter von der Panzerung abprallten, sicher im Cockpit seines Victor, stand Grayson Death Carlyle am Waldrand und studierte auf dem Sichtschirm die vergrößerten Feindstellungen auf der Kammlinie zwei Kilometer im Norden. Alex hätte schon vor einer Stunde in Position sein und seinen Angriff starten müssen, vor über einer Stunde, und noch immer gab es keinerlei Anzeichen für irgendeine Störung in der Gefechtsführung des Gegners. Sie hatten ein Signal verabredet – zwei grüne Leuchtkugeln für einen erfolgreichen Angriff, zwei rote,
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