BattleTech 33: Der schwarze Drache
waren neben einem Kistenstapel noch tiefe Reifenabdrücke.
»Sie war sehr reglos, unnatürlich reglos. Zuerst dachte ich, ihr sei schlecht geworden, dem armen Kind. Aber so wie die Männer sich verhielten, hatte ich mich geirrt. Ich konnte es hier spüren.« Sie berührte sich oberhalb des Hara.
»Haben Sie davon etwas der Polizei erzählt?«
»Oh, nein. Sie hat mich nicht gefragt.«
Das paßt, dachte Cassie. Sie begriff jetzt, warum Lieutenant McCartney das Haar ausging und er Magentabletten einwarf. Das ZFC war nicht gerade für seine hervorragenden Nachforschungen bekannt.
Sie machte sich nicht die Mühe zu fragen, warum die alte Dame den Bonbonfarbenen die Informationen nicht freiwillig gegeben hatte. Das Dictum Honorium verlangte von der Bürgerschaft, daß sie sofort die entsprechende Behörde informierte, wenn sich irgend etwas Verdächtiges zutrug. Und wenn man vierzehn oder fünfzehn war, hatte man auf die eine oder andere Weise gelernt, wohin einen das führte. Wie in Polizeistaaten jederzeit und jeden Klimas war es ein höchst riskantes Unterfangen, die Behörden auf sich aufmerksam zu machen.
»Haben Sie zufällig das Nummernschild gesehen?«
»Bitte?«
»Das Nummernschild. Hinten am Auto.«
»Ja, ja. Das habe ich.«
»Erinnern Sie sich daran, Oma-san?«
»Nein. Warum sollte ich? Warum wollen Sie das wissen, junge Frau?«
»Vielleicht ist das Auto auf einen der Männer zugelassen. Oder vielleicht kann mir die Person, auf die das Auto zugelassen ist, sagen, wer sie sind.« Sie machte sich nicht die Mühe hinzuzusetzen, daß der Autohalter, wer immer er auch war, ihr sagen würde, was sie wissen wollte.
» So ka! Was für eine clevere Idee! Genau wie in Der Agentenjäger im Holo.«
Cassie schluckte. »Ganz genau so, Oma-san.«
»Nun, an die Nummer erinnere ich mich ganz gewiß nicht. Aber Ervil, unser Spüler, kam heraus, um zu sehen, was da vor sich ging. Er wird sie wissen. Er hat ein photographisches Gedächtnis, wissen Sie. Er kann sich zwar von einem Moment zum nächsten kaum seinen Namen merken, aber er kann auf einen Bildschirm mit einem Telefonverzeichnis schauen und noch Tage später alle Zahlen darauf fehlerfrei wiedergeben.«
Sie steckte ihren Kopf wieder durch die Tür und brüllte: »Ervil!« Dann sah sie Cassie wieder an und grinste ermutigend, wobei sie ein paar Stahlzähne enthüllte.
»Alle sagen, die Gaijin hätten grundlos angefangen, Leute anzugreifen«, sagte sie. »Das glaube ich aber überhaupt nicht. Wenn sie zuließen, daß eine von ihnen entführt wird und niemand täte etwas dagegen, dann wären sie keine Gaijin, sondern Tiere.«
Im Verlauf ihres Rundgangs durch die Straßen von Impy City hatte Cassie in ein paar Stunden dieses Gerücht ein halbes Dutzend Male aufgeschnappt. Das machte ihr Sorgen, aber dann tauchte der Spüler auf. Er war ein schwerfälliger Junge irgendwo in der Pubertät, hatte wergfarbenes Haar und ein Gesicht wie eine Kuchenform. Er grinste beide Frauen geistesabwesend an.
Auch der Besitzer tauchte auf. Er war ein kleiner Mann mit kanonenkugelförmigem Kopf und dunkler Haut. »Was ist hier los?« flötete er. »Warum bist du hier draußen und schwatzt, Amanda? Wir haben ein Restaurant zu führen!«
»Das ist mein Schwiegersohn Sanjitay«, sagte die alte Frau stolz. »Er besitzt dieses elegante Etablissement ganz allein.«
»Sie hilft mir, eine Freundin zu finden, Sir«, sagte Cassie. Als er den Mund öffnete, um sie anzufahren, hielt sie ihm eine knisternde neue 100-HNote hin. »Bitte akzeptieren Sie dieses Geschenk als Wiedergutmachung aller Unannehmlichkeiten, die ich möglicherweise verursacht habe.«
Der Restaurantbesitzer nahm das Geld. »Nun, Amanda! Was stehst du da herum und glotzt? Beantworte sofort die Fragen unserer Kundin!«
»Sie sind eine tapfere und loyale junge Frau, daß Sie sich so bemühen, Ihre Freundin zu finden«, sagte Amanda, ohne auf ihren Schwiegersohn zu achten. »Seien Sie vorsichtig. Diese Männer könnten sehr gefährlich sein.«
Cassie lächelte. »Ich werde vorsichtig sein, Großmutter. Danke. Ervil?«
»Ich weiß, daß Sie über ausgezeichnete Verbindungen verfügen«, sagte die müde Stimme Lieutenant McCartneys, »aber ob Sie es glauben oder nicht, das Büro für Verbrechensbekämpfung hat auch noch ein paar andere Dinge zu tun, als Ihre Fragen zu beantworten.« Eine bedeutsame Pause. »Wir haben seit kurzem deutlich mehr Arbeit ...«
Cassie sah durch die Verglasung der Telefonzelle nach draußen. Die meisten Leute, die
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