BattleTech 33: Der schwarze Drache
worden waren, verschmolzen plötzlich zu einer Beweisführung dafür, daß etwas nicht stimmte.
Er konsultierte sein Ki. Die Antwort kam sofort: Ich war blind. So eiskalt ihm vorher gewesen war, jetzt verspürte er eine Hitzewallung, die seinen müden Leib und seine Gliedmaßen durchdrang und wie ein Sonnenbrand prickelte. Ich habe mich einlullen lassen, dachte er. Ich habe zweifellos länger gelebt, als von Nutzen ist.
Diese Erkenntnis war, als würde das Gewicht eines Planeten von seinen schmalen, hängenden Schultern genommen.
Er wendete seinen motorgetriebenen Rollstuhl und rollte durch die Tür, die bei seinem Herannahen aufglitt, in die trübe erleuchteten Gänge seiner Zitadelle. Techniker, Agenten und die unvermeidbaren Verwaltungsbeamten und Datenhengste gingen mit respektvollem Nicken an ihm vorbei, was er ignorierte.
Wer? fragte er sich, während er ziellos durch den unterirdischen Komplex fuhr. Ninyu Kerai verwarf er sofort. Die Loyalität des Jungen und er dachte von seinem Adoptivsohn noch immer als dem ›Jungen‹, auch wenn er ein Mann Mitte fünfzig war - stand außer Frage. Er war Subhash Indrahar eher zu ergeben. Genauer gesagt, Ninyu Kerai war weit davon entfernt, sich zur Nachfolge zu drängen, sondern hatte vielmehr alles in seiner Macht Stehende getan, sie aufzuschieben. Das sture Beharren des Jüngeren darauf, daß er noch nicht würdig sei, den Spionagearm des Drachen zu kontrollieren, war buchstäblich alles, was den Geist des Lächlers in den letzten paar Jahren noch in seinem ausgelaugten Körper gehalten hatte.
Also wer? Takura Migaki verwarf er fast ebenso rasch wie seinen Sohn. Die anderen Abteilungsleiter verachteten oder verabscheuten den Mann zumeist. Er war weich und schwach, und seine unorthodoxen Manieren und Ideen rochen nach Subversion: höchst ironisch bei einem Mann, dessen Aufgabe es war, im gesamten Kombinat die Orthodoxie zu fördern. Nur Omi Dashani schien ihn zu akzeptieren, und sie war das zutiefst neutralste Individuum, das Subhash kannte, ganz ergeben dem Prinzip, ihre Beurteilungen von Präferenzen oder Vorurteilen freizuhalten. Tatsächlich hielt auch Subhash selbst seinen Propagandachef für einen Bruder Leichtfuß, auch wenn er exemplarisch gute Leistungen erbrachte, was das einzige war, was wirklich zählte.
Aber Migaki verabscheute Verantwortung in einem Maße, das an eine Phobie grenzte. Er mochte seinen Tob, weil - und nur insoweit, als - er ihm erlaubte, seinen kreativen Impulsen freien Lauf zu lassen. Er wollte nur Impressario sein. Er wurde in letzter Zeit zwar immer ruheloser, aber das war alles andere als ein Warnsignal, daß er den Ehrgeiz hatte, in der Hierarchie der Geheimpolizei aufzusteigen, sondern vielmehr Ausdruck seines Wunschs, auszusteigen und privater Produzent und Regisseur von Unterhaltungsholovids zu werden. Es war bekannt, daß er gesagt hatte, er wolle lieber einen Arm verlieren als ISA-Chef werden. Subhash glaubte ihm.
Auch Omi Dashani kam Subhash als Verräterin unwahrscheinlich vor. Sie wollte genau das, was sie tat: ihre Metsuke-Legionen herumschieben wie Figuren eines gewaltigen, komplizierten Spiels, Datenberge anhäufen und darin herumwühlen. Ironischerweise wäre sie nach Ninyu die nächste Wahl des Lächlers als seine Nachfolgerin gewesen: Sie war exakt, war eine Perfektionistin. Sie würde niemals Agenten mit eigenen kühnen Leistungen im Felde inspirieren wie Ninyu Kerai oder die legendären Taten Subhashs aus seiner Jugend aber sie würde dafür sorgen, daß die Feldagenten entsprechend nachdrücklich geführt wurden.
Der Lächler hatte zwei grundlegende Theorien des menschlichen Tuns, die ein Leben der Beobachtung solchen Tuns in seiner reinsten Form nur bestärkt hatte. Die erste lautete, daß die Leute versuchten zu bekommen, was sie wollten, so sicher, wie das Wasser bergab fließt. Ihre Herangehensweise sah für außenstehende Beobachter oft irrational oder kontraproduktiv aus, nicht selten weil sie es war, und die gewünschten Ziele mochten aktiv schädlich sein, aber was auch immer andere dachten, was immer sie selbst sagten, das war die Antriebskraft der meisten Leute. Seine zweite Theorie lautete, daß nach seiner eigenen Form des Eigeninteresses bei jedem Individuum die stärkste Triebkraft Ab- oder Zuneigung war, meist ersteres: Neid, Eifersucht Rachsucht.
Er wußte, daß seine Theorie des alles bestimmenden Eigeninteresses unglaublich subversiv für eben das Gesellschaftsmodell war, dessen Bewahrung er sein
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