BattleTech 35: Höhenflug
1 Meter 82. Aber irgend etwas an seiner Statur oder möglicherweise an seiner Haltung ließ ihn kleiner erscheinen. Hellbraunes Haar, konservativer Schnitt. Blasse Gesichtsfarbe, helle, kornblumenblaue Augen. Nicht hübsch, aber auf eine ihm unbewußte Weise attraktiv. »Sie sind ein Freund von Pop-Pop?« fragte sie, als er ihre Hand freigab.
Macintyre setzte zu einer Antwort an, sagte aber nichts. Sam sah, wie er dem Mann im Bett einen schnellen Blick zuwarf.
»Ein alter Kollege«, antwortete Jim Dooley glatt, »der kürzlich zu einem Freund geworden ist, so könnte man es ausdrücken.« Sam blinzelte überrascht. Ein alter Kollege? Dieser Macintyre wirkte nur ein paar Jahre älter als sie selbst - vielleicht dreißig.
Jims Blick wanderte von Sam zu Macintyre. »Und ich möchte diese neue Freundschaft nicht länger belasten, Mac«, fuhr er mit einem freundlichen Lächeln fort. »Ich weiß, du hast viel zu tun, und das ist wichtiger, als einem alten Mann Gesellschaft zu leisten.«
Wieder klappte Macintyres Mund auf und zu, ohne einen Laut hervorzubringen. Dann schluckte er sichtlich und nickte. »Wenn du sicher bist, daß ich nichts für dich tun kann...« Jim schüttelte den Kopf. »Na gut, dann. Ich... ich komme wieder vorbei.«
»Wenn es sich einrichten läßt«, bestätigte Jim gelassen.
Macintyre schluckte erneut und streckte Sam die Hand entgegen. Sie nahm sie, amüsiert, aber gleichzeitig auch leicht verwundert.
»Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, Mr. Macintyre.«
Der schlanke Mann zögerte, als wisse er darauf keine Antwort. Dann murmelte er: »War mir ein Vergnügen.« Er ließ ihre Hand los und ging zur Tür. Auf dem Flur blieb er kurz stehen und sah sich zu ihr um. Dann war er fort. Sam hörte Schritte auf der Treppe, dann das Öffnen und Schließen der Haustür. Sie drehte sich zu ihrem Großvater um, eine Frage auf den Lippen.
Jim kicherte leise. Seine Augen funkelten vergnügt. »Der gute Mr. Macintyre hinterläßt den üblichen ersten Eindruck«, stellte er lachend fest.
Sam konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Wer war das?«
»Wie ich schon sagte, ein alter Kollege.« Sein Lächeln verblaßte. »Es ist eine lange Geschichte und keine sonderlich lustige. Wie kann man ihn nennen?« Er zögerte. »Einen Air-Force-Knirps, mehr oder weniger. Schwere Kindheit, frühe Verluste...« Er warf ihr einen bedeutungsschweren Blick zu. »Klingt vertraut?«
»O ja«, erwiderte sie.
»Er wurde... Im Grunde wurde er adoptiert... Von ein paar meiner alten Kollegen. Flieger, Testflugingenieure zum größten Teil. Sie stellten über Jahre seine Familie dar.« Er zuckte die Schultern. »Sie tun es wohl immer noch. Ich habe Mac kennengelernt, als er noch ein Kind war.« Er schloß die Augen. Als ob auf der Innenseite seiner Lider ein Film abläuft, dachte Sam. »Wir haben reihum die Elternrolle für ihn übernommen. Manche waren eifriger dabei als andere, aber im Laufe der Jahre dürfte wohl jeder einige Zeit mit ihm verbracht haben.« Jim Dooley lächelte sanft. »Ein ruhiges Kind. Jeder, der auch nur die Empfindsamkeit einer Amöbe hatte, konnte die Aura von Tragik fühlen, die ihn wie eine kleine dunkle Wolke begleitete. Er hat nie viel geredet, und wer ihn nicht kannte, hielt ihn wahrscheinlich für nicht ganz da, wie man so sagt. Aber wir, die wir ihn kannten, wußten es besser.«
Das Gesicht des alten Manns entspannte sich noch weiter. Erst jetzt, da sie verschwunden schien, erkannte Sam, wie groß die Anspannung in Pop-Pops Zügen und Bewegungen gewesen war. Ihr Herz öffnete sich ihm. Du hast Schmerzen, Pop-Pop, nicht wahr? Aber das wirst du mir gegenüber nie zugeben... Und auch niemand anderem gegenüber. »Ja?« fragte sie leise.
Jim lächelte wieder, und nicht zum erstenmal hatte Sam das Gefühl, daß er ihre Gedanken hören konnte. »Wir sind gut miteinander ausgekommen, Mac und ich. Es stellte sich heraus, daß wir voneinander lernen konnten. Ich habe ihm beigebracht, wie die Welt funktioniert, und er hat mir gezeigt, wie sie funktionieren sollte, wie es sein müßte.« Seine Augen zuckten auf, und sein eisgrüner Blick fixierte Sam. »Kennst du den Ausdruck ›Sense of Wonder‹?« Sie nickte. »Das war es, was Mac einem beibringen konnte. Und er hat es gelehrt, jeden, der sich Zeit für ihn genommen hat. Ich habe mir die Zeit genommen. Heute ist er Ingenieur. Aeronautik und andere Fachgebiete. Wenn du ihn fragen würdest, was für eine Beziehung uns verbindet, würde er mich wahrscheinlich als
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