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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Nestorianer, soweit ich weiß, sich über Jesus und seine Mutter getäuscht haben, dann könnten sie sichdoch auch über die Form der Erde getäuscht haben. Oder nicht?«
    »Ha, pass auf, jetzt kommt mein subtilstes Argument! Ich werde dir beweisen, dass du – wenn du den Priester Johannes finden willst – in jedem Fall gut daran tust, dich an Kosmas zu halten und nicht an die heidnischen Topografen. Nehmen wir für einen Augenblick an, Kosmas habe sich getäuscht und falsche Dinge geschrieben. Auch wenn dem so wäre, werden diese Dinge gleichwohl von allen Völkern des Orients, die Kosmas besucht hat, geglaubt und für wahr gehalten, sonst hätte er sie nicht in den Ländern gehört, hinter denen das Reich des Priesters Johannes liegt, und zweifellos denken die Bewohner jenes Reiches, dass die Welt tabernakelförmig ist, und bestimmen die Entfernungen, die Grenzen, den Lauf der Flüsse, die Ausdehnung der Meere, die Küsten und Buchten, um nicht von den Gebirgen zu reden, gemäß der wunderbaren Zeichnung des Tabernakels.«
    »Das Argument überzeugt mich noch nicht«, sagte Baudolino. »Dass sie glauben, in einem Tabernakel zu leben, muss ja nicht heißen, dass sie wirklich in einem leben.«
    »Lass mich meinen Gedanken zu Ende führen. Wenn du mich fragen würdest, wie man in meine Geburtsstadt Chalkedon gelangt, könnte ich es dir sehr gut erklären. Dabei kann es sein, dass ich die Länge der Reise anders bestimme als du oder dass ich rechts nenne, was du links nennst – übrigens habe ich gehört, dass die Sarazenen Karten zeichnen, auf denen Süden oben und Norden unten ist, so dass die Sonne links von den dargestellten Ländern aufgeht. Aber wenn du die Art, wie ich den Lauf der Sonne und die Form der Erde darstelle, akzeptierst und meinen Angaben folgst, wirst du mit Sicherheit dort ankommen, wo ich dich hinschicken will, während du sie nicht verstehen würdest, wenn du dich an deine Karten hieltest. Folglich«, schloss Zosimos triumphierend, »wenn du das Land des Priesters Johannes erreichen willst, musst du die Weltkarte benutzen, die der Priester Johannes benutzen würde, und nicht deine – und das wohlgemerkt auch dann, wenn deine richtiger wäre als seine!«
    Baudolino war beeindruckt vom Scharfsinn der Beweisführung und bat Zosimos, ihm zu erklären, wie denn Kosmas und mithin der Priester Johannes die Welt sahen. »Ach nein«, antwortete Zosimos, »wo die Karte zu finden ist, weiß ich wohl, aber warum soll ich sie dir und deinem Kaiser geben?«
    »Es sei denn, er gibt dir so viel Geld, dass du mit einer Truppe gutbewaffneter Männer aufbrechen kannst.«
    »Genau.«
    Von diesem Moment an ließ sich Zosimos kein Wort mehr über Kosmas' Karte entlocken, er machte nur hin und wieder, wenn er betrunken war, vage Andeutungen, wozu er mit dem Finger mysteriöse Kurven in die Luft zeichnete, aber dann brach er ab, als hätte er schon zu viel gesagt. Baudolino schenkte ihm Wein nach und stellte ihm scheinbar ausgefallene Fragen: »Aber wenn wir nahe bei Indien sind und unsere Pferde nicht mehr weiterkönnen, müssen wir dann auf Elefanten reiten?«
    »Vielleicht«, sagte Zosimos, »denn in Indien leben alle Tiere, die in deinem Brief genannt werden, und noch ein paar mehr, nur keine Pferde. Aber sie haben trotzdem welche, denn sie lassen sie aus Tzinistan kommen.«
    »Und was ist das für ein Land?«
    »Ein Land, in das die Reisenden gehen, um Seidenwürmer zu jagen.«
    »Seidenwürmer? Was soll denn das sein?«
    »Nun, in Tzinistan gibt es kleine Eier, die werden den Frauen an den Busen gelegt, und wenn sie in der Wärme dort ausgebrütet sind, kriechen kleine Würmer heraus. Diese werden auf Maulbeerblätter gelegt, von denen sie sich ernähren. Wenn sie erwachsen sind, ziehen sie aus ihrem Körper Seidenfäden und spinnen sich darin ein, als lägen sie in einem Grab. Dann verwandeln sie sich in wunderschöne bunte Schmetterlinge und schlüpfen aus dem Kokon. Bevor sie wegfliegen, dringen die Männchen von hinten in die Weibchen ein, und beide leben ohne Nahrung allein von der Wärme ihrer Liebe, bis sie sterben, und sterbend legt das Weibchen seine Eier.«
    »Einem Mann, der dir weismachen will, dass Seide aus Würmern gewonnen wird, war wirklich nicht zu trauen«, sagte Baudolino zu Niketas. »Er machte den Spitzel für seinen Basileus, aber auf die Suche nach dem Herrn der drei Indien wäre er auch im Solde Friedrichs gegangen. Dann allerdings, wenn er dort angelangt wäre, hätten wir ihn nie

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