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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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noch alles im vagen und schwer zu entscheiden, weil man ja wisse, wie ungenau Karten seien, besonders für jene Orte, an denen allenfalls mal Alexander der Große gewesen war und seitdem niemand mehr. Und er zeichnete ihm, so gut er konnte, die von Abdul gefertigte Karte.
    Zosimos fing an zu lachen. Klar, wenn Baudolino der ketzerischen und perversen Idee anhing, dass die Erde eine Kugel sei, brauche er seine Reise gar nicht erst anzutreten.
    »Entweder du vertraust der Heiligen Schrift, oder du bist ein Heide, der noch so denkt, wie man vor Alexander dachte – der übrigens unfähig war, uns irgendeine Karte zu hinterlassen. Nach der Heiligen Schrift hat nicht nur die Erde, sondern das ganze Universum die Form eines Tabernakels, beziehungsweise Moses hat seinen Tabernakel-Tempel als getreues Abbild des Universums gestaltet, von der Erde bis zum Firmament.«
    »Aber die antiken Philosophen ...«
    »Die antiken Philosophen, die noch nicht vom Wort Gottes erleuchtet waren, haben sich die Antipoden ausgedacht, während in der Apostelgeschichte steht, dass Gott aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit geschaffen hat, auf dass sie das Antlitz der Erde bewohne – das Antlitz, nicht irgendeinen anderen Teil, der nicht existiert. Und im Evangelium des Lukas steht, dass der Herr den Aposteln die Macht gegeben hat, über Schlangen und Skorpione zu gehen – und gehen heißt auf etwas gehen, nicht unter etwas. Im übrigen, wenn die Erde eine Kugel wäre und im Leeren schwebte, hätte sie weder ein Oben noch ein Unten, und folglich gäbe es auf ihr keine Richtung des Gehens und nicht mal ein Gehen in irgendeiner Richtung. Wer hat gesagt, dass der Himmel aus Sphären bestehe, also eine Kugel sei? Die chaldäischen Sünder auf der Spitze des Turms zu Babel – soweit sie ihn haben errichten können –, verblendet durch den Schrecken, den ihnen der nahe Himmel eingejagt hatte! Welcher Pythagoras und welcher Aristoteles hat es vermocht, die Auferstehung der Toten vorauszusehen? Und solchen Ignoranten soll es gelungen sein, die wahre Form der Erde zu begreifen? Diese kugelförmige Erde soll dazu helfen, sagen sie, den genauen Zeitpunkt des Sonnenauf- und -untergangs vorauszubestimmen, oder auf welchen Tag Ostern fällt? So ein Unsinn, wo doch ganz einfache Leute, die weder Philosophie noch Astronomie studiert haben, sehr gut wissen, wann die Sonne auf- und untergeht, je nach den Jahreszeiten, und Ostern in den verschiedenenLändern nach derselben Methode berechnet wird, ohne dass man sich irrt? Wozu braucht man eine andere Geographie als jene, die ein guter Zimmermann kennt, und eine andere Astronomie als jene, nach welcher der Bauer weiß, wann er säen und wann er ernten muss? Und übrigens, von welchen antiken Philosophen redest du überhaupt? Kennt ihr Lateiner den Xenophanes von Kolophon, der die Erde zwar als unendlich, aber nicht kugelförmig ansah? Die Ignoranten werden sagen, wenn man das Universum als Tabernakel ansehe, könne man die Eklipsen und Äquinoktien nicht erklären. Nun, in unserem Romäerreich hat vor Jahrhunderten ein großer Weiser gelebt, Kosmas Indikopleustes, der bis an die Grenzen der Welt gereist ist, und der hat in seiner Christlichen Topographie unwiderleglich bewiesen, dass die Erde tatsächlich die Form eines Tabernakels hat und dass gerade die unklarsten Phänomene nur so zu erklären sind. Willst du, dass der christlichste aller Könige, ich meine Johannes, sich nicht an die christlichste aller Topografien hält, die nicht nur die des Kosmas ist, sondern auch die der Heiligen Schrift?«
    »Ich sage dir, mein Priester Johannes weiß nichts von der Topographie deines Kosmas.«
    »Du selber hast mir gesagt, dass Johannes ein Nestorianer ist. Nun hatten die Nestorianer eine dramatische Diskussion mit anderen Häretikern, den Monophysiten. Für die Monophysiten war die Erde wie eine Kugel, für die Nestorianer wie ein Tabernakel geformt. Man weiß, dass Kosmas ebenfalls Nestorianer war und jedenfalls Anhänger des Lehrers von Nestorios, Theodoros von Mopsuestia, und dass er sein Leben lang gegen die monophysitische Häresie des Johannes Philoponos aus Alexandria kämpfte, der heidnischen Philosophen wie Aristoteles folgte. Kosmas ein Nestorianer, der Priester Johannes ein Nestorianer – beide können gar nicht anders, als fest an die tabernakelförmige Erde zu glauben.«
    »Moment mal. Sowohl dein Kosmas wie auch mein Priester sind Nestorianer, keine Frage. Aber wenn man bedenkt, dass die

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