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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Hast du darüber mit Zosimos gesprochen?«
    »Nein«, sagte Baudolino, »darüber habe ich geschwiegen.«
    »Siehst du, und dein Zosimos hat hier yerarcam geschrieben. Der Priester schickt dem Basileus ein yerarcam .«
    »Und was soll das sein?« fragte der Poet.
    »Das weiß Zosimos selber nicht«, sagte Baudolino. »Seht euch mal unser Original an: An dieser Stelle ist Abduls Schrift nicht gut leserlich. Zosimos hat nicht verstanden, worum es geht, er dachte wohl, es handle sich um ein seltenes, geheimnisvolles Geschenk, von dem nur wir Kenntnis hätten, und so erklärt sich dieses seltsame Wort. O Mist, verdammter! Alles meine Schuld, weil ich ihm vertraut habe! Was für eine Schande, wie soll ich das bloß dem Kaiser erklären?«
    Es war nicht das erste Mal, dass sie Lügen erzählten. Sie erklärten dem Kanzler und Friedrich, dass der Brief offensichtlich von jemandem aus der Kanzlei Manuels verfasst worden sei, um Friedrich daran zu hindern, den seinen herumzureichen, aber sie fügten hinzu, es gebe womöglich einen Verräter in der Kanzlei des Heiligen Römischen Reiches, der eine Abschrift ihres Briefes nach Konstantinopel habe gelangen lassen. Friedrich schwor, dass er dem Kerl, wenn er ihn erwische, sämtliche Glieder und Gliedmaßen einzeln ausreißen werde.
    Dann fragte er, ob sie sich nicht vielleicht Sorgen machen müssten wegen einer möglichen Initiative von Manuel. Was, wenn der Brief geschrieben worden wäre, um einen Feldzug nach Indien zu rechtfertigen? Christian gab ihm dezent zu bedenken, dass Manuel gerade erst vor zwei Jahren nach Phrygien gegen den seldschukischen Sultan von Ikonion gezogen war und eine dramatische Niederlage in Myriokephalon hatte einstecken müssen. Genug, um ihn für den Rest seines Lebens von Indien fernzuhalten. Ja, wenn man es genau bedachte, sei dieser Brief gerade ein Versuch Manuels, ein recht kindischer freilich, sich wieder ein bisschen Prestige zu verschaffen, nachdem er so viel davon verloren hatte.
    Wie auch immer, war es an diesem Punkt überhaupt noch sinnvoll, den Brief an Friedrich publik zu machen?Musste man ihn nicht wenigstens ändern, damit nicht alle Welt glaubte, er sei von dem an Manuel abgeschrieben worden?
     
    »Warst du über diese Geschichte auf dem Laufenden, Niketas?« fragte Baudolino.
    Niketas lächelte. »Damals hatte ich das dreißigste Lebensjahr noch nicht erreicht und war Steuerbeamter in Paphlagonien. Wäre ich Berater des Basileus gewesen, hätte ich ihm von solch infantilen Winkelzügen abgeraten. Aber Manuel hörte auf zu viele Höflinge, auf Kammerdiener und Eunuchen in seinen privaten Gemächern, sogar auf Sklaven, und oft war er auch dem Einfluss visionärer Mönche ausgesetzt.«
    »Ich zerfraß mich innerlich, wenn ich an diesen Wurm von Zosimos dachte. Aber dass auch Papst Alexander ein Wurm war, schlimmer als Zosimos und schlimmer als die Salamander, das entdeckten wir erst im September, als in der Reichskanzlei ein Dokument eintraf, das vermutlich auch an die anderen christlichen Könige und an den griechischen Kaiser geschickt worden war. Es war die Kopie eines Briefes, den Alexander III. an den Priester Johannes geschrieben hatte!«
     
    Sicher hatte Alexander eine Kopie des Briefes an Manuel erhalten, vielleicht kannte er auch die alte, von Otto zitierte Botschaft des Bischofs Hugo von Gabala, vielleicht fürchtete er, dass Friedrich aus der Nachricht von der Existenz des Priesterkönigs irgendwelche Vorteile ziehen könnte, jedenfalls war er nun der erste, der nicht einen Appell empfing, sondern selber einen aussandte, denn in seinem Brief stand, dass er sogleich einen Legaten losgeschickt habe, um mit dem Priester zu verhandeln.
    Der Brief begann mit den Worten:
     
    Alexander Episcopus, Diener der Diener Gottes, entbietet dem teuersten Sohne in Christo Johannes, dem berühmten und herrlichen König der drei Indien, seinen Gruß und apostolischen Segen.
     
    Sodann rief der Papst in Erinnerung, dass nur ein einziger Apostolischer Stuhl (nämlich Rom) von Petrus das Mandat erhalten habe, Haupt und Lehrmeister aller Gläubigen zu sein. Des weiteren schrieb er, ihm sei schon viel Gutes über den Glauben und die Frömmigkeit des Priesterkönigs zu Ohren gekommen, und sein Leibarzt, Magister Philippus, ein besonnener, umsichtiger und zuverlässiger Mann, habe von vertrauenswürdigen Leuten gehört, dass Johannes sich mit der Absicht trage, zum wahren römisch-katholischen Glauben überzutreten. Das erfülle ihn selbstredend

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