Baudolino - Eco, U: Baudolino
mit großer Freude, fuhr der Papst fort, doch leider könne er im Moment keine hochrangigen Würdenträger zu ihm entsenden, auch weil diese keine linguas barbaras et ignotas verstünden, aber er schicke ihm den obengenannten Philippus, einen sehr diskreten und klugen Mann, auf dass er ihn im wahren Glauben unterweise. Sobald Philippus bei ihm eingetroffen sei, möge er ihm, dem Papst, bitte einen Bestätigungsbrief schicken, und – so schloss Alexander warnend – je weniger er sich darin in Prahlereien über seine Macht und seinen Reichtum ergehe, desto besser werde es für ihn sein, wenn er wolle, dass man ihn als einen demütigen Sohn der heiligen römischen Kirche empfange.
Baudolino war entsetzt und empört bei dem Gedanken, das es dermaßen schamlose Fälscher auf der Welt geben konnte. Friedrich tobte: »Dieser Satansbraten! Keiner hat ihm je geschrieben, und zum Trotz antwortet er einfach als erster! Und hütet sich dabei, seinen Johannes Presbyter zu nennen, womit er ihm jedwede priesterkönigliche Würde abspricht ...«
»Er weiß,ss Johannes Nestorianer ist«, sagte Baudolino, »und so schlägt er ihm väterlich-päpstlich vor, auf seine Ketzerei zu verzichten und sich ihm zu unterwerfen ...«
»Zweifellos ist dies ein sehr arroganter Brief«, bemerkte der Kanzler Christian. »Er nennt Johannes seinen lieben Sohn, aber er schickt nicht einmal einen Bischof zu ihm, sondern bloß seinen Leibarzt. Er behandelt ihn wie ein Kind, das man zur Ordnung ruft.«
»Dieser Philippus muss liquidiert werden«, entschied Friedrich. »Christian, schick Boten los, gedungene Mörderoder wen immer du willst, dass sie ihn unterwegs abfangen, ihn erdrosseln, ihm die Zunge herausreißen, ihn in einem Wildbach ertränken! Er darf auf keinen Fall dort ankommen! Der Priester Johannes gehört mir!«
»Sei unbesorgt, mein Vater«, sagte Baudolino, »nach meiner Meinung ist dieser Philippus gar nicht aufgebrochen, ja es ist nicht mal gesagt, dass er überhaupt existiert. Erstens weiß Alexander genau, denke ich, dass der Brief an Manuel eine Fälschung ist. Zweitens weiß er gar nicht, wo sein Johannes zu finden sein soll. Drittens hat er den Brief geschrieben, um dir zuvorzukommen und zu sagen, dass der Priester Johannes ihm gehört, und im übrigen lädt er dich und Manuel dazu ein, die ganze Geschichte mit dem Priesterkönig zu vergessen. Viertens, selbst wenn Philippus existieren würde, selbst wenn er zu diesem Priester ginge und tatsächlich dort ankäme, überleg nur mal einen Moment, was passieren würde, wenn er unverrichteter Dinge zurückkäme, weil der Priester Johannes nicht zur Katholischen Kirche übergetreten ist. Für Alexander wäre das doch ein Schlag ins Gesicht. Das kann er nicht riskieren.«
In jedem Fall war es nun zu spät, den Brief an Friedrich publik zu machen, und Baudolino fühlte sich wie enteignet. Beim Tod Bischof Ottos hatte er angefangen, mit dem Reich des Priesters Johannes zu liebäugeln, und seitdem waren fast zwanzig Jahre vergangen ... Zwanzig Jahre vergeudet für nichts ...
Dann aber raffte er sich auf: Nein, mag sich der Brief des Priesters in nichts auflösen oder sich in einer Fülle anderer Briefe verlieren, heutzutage kann jeder, der will, sich einen Liebesbriefwechsel mit dem Priester Johannes erfinden, wir leben in einer Welt von abgefeimten, durchtriebenen Lügnern, aber das heißt nicht, dass man darauf verzichten soll, nach seinem Reich zu suchen. Schließlich gibt es immer noch Kosmas' Karte, also genügt es, Zosimos wiederzufinden, sie ihm zu entreißen, und dann auf zur Reise ins Unbekannte ...
Aber wo mochte Zosimos stecken? Und selbst wenn man wüsste, dass er sich überhäuft mit Pfründen im Kaiserpalast seines Basileus befand, wie sollte man ihn dortaufstöbern, inmitten der ganzen byzantinischen Armee? Baudolino fing an, Reisende, Boten und Kaufleute zu befragen, um etwas über den ruchlosen Mönch zu hören, und zugleich fuhr er fort, Friedrich an den Plan zu erinnern: »Mein Vater«, sagte er, »jetzt hat die Sache mehr Sinn als vorher, denn vorher konntest du fürchten, dass jenes Reich bloß eine von meinen Phantastereien sei, aber jetzt weißt du, dass auch der griechische Basileus und der Papst in Rom daran glauben, und in Paris wurde mir gesagt, wenn unser Geist imstande ist, etwas zu konzipieren, von dem es kein Größeres gibt, dann existiert dieses Etwas gewiss. Ich bin jemandem auf der Spur, der mir Informationen über den Weg dorthin geben kann –
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