Baudolino - Eco, U: Baudolino
unter die Augen gewachsen, und ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie eine Frau geworden war. Sie war sehr sanft und bewegte sich mit einer etwas linkischen Anmut. Seit der Geschichte mit der Belagerung galten mein Vater und ich als Retter der Stadt, und sie sah zu mir auf, als wäre ich Sankt Georg. Wenn ich mit Guasco sprach, blieb sie zusammengekauert vor mir hocken, die Augen glänzend, und trank meine Worte. Ich hätte ihr Vater sein können, denn sie war kaum fünfzehn und ich achtunddreißig. Ich kann nicht sagen, ob ich mich in sie verliebt hatte, aber es war mir angenehm, sie um mich zu haben, so sehr, dass ich anfing, den anderen unglaubliche Abenteuer zu erzählen, nur damit sie mir zuhörte. Das bemerkte auch Guasco, der zwar ein miles war, das heißt etwas mehr als ein Ministeriale wie ich (der ich noch dazu ein Bauernsohn war), aber wie ich schon sagte, ich war ein bisschen der Liebling der Stadt, ich trug ein Schwert an der Seite, ich lebte am Hof ... Es würde keine schlechte Verbindung sein, und Guasco selbst war es, der eines Tages zu mir sagte: »Warum heiratest du Colandrina nicht, sie ist mir ein kleiner Tolpatsch geworden, sie lässt Geschirr fallen, und wenn du nicht da bist, steht sie dauernd am Fenster, um zu sehen, ob du nicht kommst.« Es war eine schöne Hochzeit, die Trauung wurde in San Pietro vollzogen, der Kathedrale, die wir dem verstorbenen Papst geschenkt hatten – der neue wusste nicht mal, dass es sie überhaupt gab. Und es war eine seltsame Ehe, denn schon nach der erstenNacht musste ich fort, um bei Friedrich zu sein, und so ging es das ganze erste Jahr, ich sah meine Frau nur alle paar Monate, und es zog mir das Herz zusammen, wenn ich sah, wie sie sich jedes Mal freute.«
»Hast du sie geliebt?«
»Ich glaube schon, aber es war das erste Mal, dass ich eine Ehefrau hatte, und ich wusste nicht recht, was ich mit ihr machen sollte, abgesehen von den Sachen, die ein Ehemann in der Nacht macht, aber tagsüber wusste ich nicht, ob ich sie streicheln sollte wie ein kleines Kind oder sie wie eine Dame behandeln, ob ich sie ausschimpfen sollte wegen ihrer Ungeschicklichkeiten, denn sie brauchte immer noch einen Vater, oder ob ich ihr alles verzeihen sollte, auch wenn sie alles kaputt machte. Bis sie mir dann am Ende des ersten Jahres sagte, dass sie ein Kind erwartete, und von da an habe ich sie behandelt, als wär sie die Heilige Jungfrau: Wenn ich heimkam, bat ich sie um Verzeihung dafür, dass ich fortgewesen war, sonntags brachte ich sie zur Messe, damit alle sahen, dass Baudolinos gute Frau dabei war, ihm ein Kind zu schenken, und an den wenigen Abenden, die wir zusammen verbrachten, dachten wir uns aus, was wir mit dem kleinen Baudolinchen-Colandrinchen machen würden, das sie unter dem Herzen trug – eines Abends meinte sie, dass Friedrich ihm ein Herzogtum geben würde, und ich war drauf und dran, es auch zu glauben. Ich erzählte ihr vom Reich des Priesters Johannes, und sie sagte, dahin würde sie mich nicht für alles Gold der Welt allein reisen lassen, denn wer weiß, was für schöne Damen es da gebe, und sie wolle jenen Ort ebenfalls sehen, der schöner und größer sein müsse als Alexandria und Solero zusammen (Solero war ein Dorf in der Nachbarschaft). Ich erzählte ihr auch vom Gradal, und sie riss die Augen auf und sagte: Denk nur, mein Baudolino, du gehst dorthin, kommst zurück mit dem Kelch, aus dem Unser Herr Jesus getrunken hat, und wirst der berühmteste Ritter der Christenheit, du baust ein Heiligtum für diesen Gradal in Montecastello, und alle kommen, um ihn zu sehen, bis aus Quargnento ...! Wir phantasierten wie die Kinder, und ich sagte mir: Armer Abdul, du glaubst, die Liebste sei eineferne Prinzessin, und dabei ist meine so nah, dass ich sie hinterm Ohr kraulen kann, und sie lacht und sagt, hu, das kitzelt ... Aber es hat nicht lange gedauert.«
»Warum nicht?«
»Weil gerade als sie schwanger war, da hatten die Alexandriner ein Bündnis mit Genua gegen die Leute aus Silvano d'Orba geschlossen. Es waren nur eine Handvoll Leute, aber sie machten die Gegend unsicher, überfielen die Bauern und raubten sie aus. Colandrina war an jenem Tag aus der Stadt hinaus auf die Felder gegangen, um ein paar Blumen zu pflücken, weil sie gehört hatte, dass ich kommen würde. Sie war bei einer Schafherde stehen geblieben, um mit dem Schäfer zu plaudern, der ein Mann ihres Vaters war, und da kam plötzlich eine Bande von diesen Halunken herbeigestürmt, um sich auf
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