Baudolino - Eco, U: Baudolino
ermächtige mich, etwas Geld auszugeben.« Es gelang Baudolino, sich mit genügend Gold ausstatten zu lassen, um alle Graeculi , die nach Venedig kamen, zu bestechen, er wurde in Kontakt mit vertrauenswürdigen Leuten in Konstantinopel gebracht und wartete auf Nachrichten. Sobald er sie bekommen haben würde, brauchte er Friedrich nur noch dazu zu bringen, eine Entscheidung zu treffen.
»Weitere Jahre des Wartens vergingen, und inzwischen war auch euer Manuel gestorben. Obwohl ich euer Land noch nicht besucht hatte, Kyrios Niketas, wusste ich genug darüber, um mir denken zu können, dass beim Wechsel eines Basileus alle seine alten Vertrauten liquidiert werden würden. Ich betete zur Madonna und zu allen Heiligen, dass Zosimos noch lebte, auch geblendet würde er mir noch genügen, er musste mir die Karte nur geben, ich würde sie dann schon lesen können. Und derweil hatte ich das Gefühl, dass mir die Jahre wie Sand zwischen den Fingern zerrannen, ja dass ich die Jahre verlor, wie jemand Blut verliert.«
Niketas ermunterte Baudolino, sich jetzt nicht von seiner damaligen Enttäuschung niederdrücken zu lassen. Er hatte seinen Koch und Diener gebeten, sich selbst zu übertreffen, die letzte Mahlzeit, die er unter der Sonne Konstantinopels genieße, solle ihm noch einmal alle Wonnen seines Meeres und seines Landes in Erinnerung rufen. Auf denTisch kommen sollten Langusten und Einsiedlerkrebse, gekochter Hummer, gebratene Krabben, Linsen mit Austern und Muscheln, Meeresdatteln, dazu ein Püree aus Ackerbohnen und Reis mit Honig, umgeben von einem Kranz aus Fischeiern, das Ganze serviert mit kretischem Wein. Aber das war nur der erste Gang. Danach kam ein Schmorbraten, der einen köstlichen Duft verbreitete, und im Topf dampften vier schöne harte und schneeweiße Kohlherzen, ein Karpfen und zwanzig kleine Makrelen, Sardellenfilets, vierzehn Eier, ein wenig Schafskäse aus der Walachei, das Ganze begossen mit einem guten Pfund Öl, bestreut mit Pfeffer und gewürzt mit zwölf Knoblauchzehen. Aber zu diesem zweiten Gang verlangte er Wein aus Ganos am Hellespont.
18. Kapitel
Baudolino und Colandrina
Aus dem Hof hörte man das Geschrei von Niketas' Töchtern, die sich ihre gepflegten, nur an das Zinnoberrot ihrer Schminke gewöhnten Gesichter nicht beschmieren lassen wollten. »Seid still«, sagte Grillo, »Schönheit allein macht noch keine Dame.« Und er erklärte, er sei noch nicht einmal sicher, ob das bisschen Schorf und Blattern, das ihnen ins Gesicht gemalt wurde, ausreichen werde, um einen lüsternen Pilger abzuschrecken, das seien Kerle, die sich auf alles stürzten, was sie nur finden konnten, Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Griechinnen, Sarazeninnen oder Jüdinnen, denn in diesen Dingen spiele die Religion kaum eine Rolle. Um wirklich Ekel zu erregen, fügte er hinzu, müssten sie mit Pusteln übersät wie ein Reibeisen sein. Niketas' Gemahlin half liebevoll mit, ihre Töchter hässlich zu machen, indem sie hier eine klaffende Wunde auf die Stirn, dort eine Hühnerhaut auf die Nase malte, um sie von Blattern zerfressen aussehen zu lassen.
Baudolino blickte trübsinnig auf die schöne Familie hinunter, und auf einmal sagte er: »So kam es, während ich so dahinlebte, ohne zu wissen, was ich tun sollte, dass auch ich mir eine Ehefrau nahm.«
Er erzählte die Geschichte seiner Ehe mit einer nicht sehr fröhlichen Miene, als handle es sich um eine schmerzliche Erinnerung.
»Zu jener Zeit pendelte ich zwischen dem Hof und Alexandria hin und her. Friedrich konnte sich mit der Existenz dieser Stadt noch immer nicht abfinden, und ich versuchte die Beziehung zwischen meinen Mitbürgern und dem Kaiser wieder in Ordnung zu bringen. Die Situation war günstiger als in den Jahren zuvor. Alexander III. war tot, undAlexandria hatte seinen Beschützer verloren. Der Kaiser kam den italienischen Städten immer weiter entgegen, und Alexandria konnte sich nicht mehr als das Bollwerk der Liga aufspielen. Genua war auf die Seite des Reiches übergewechselt, und Alexandria hatte alles zu gewinnen, wenn es mit den Genuesern ging, nichts jedoch, wenn es die einzige Friedrich verhasste Stadt blieb. Es galt also, eine für beide Seiten ehrenvolle Lösung zu finden. So kam es, während ich meine Tage damit verbrachte, mit meinen Landsleuten zu reden und danach an den Hof zurückzukehren, um die Stimmung des Kaisers auszuloten, dass mir Colandrina auffiel. Sie war die Tochter des Guasco, sie war mir nach und nach
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