Baudolino - Eco, U: Baudolino
blühenden Phantasie zu überwinden.
Friedrich fand die Idee nicht schlecht, nur konnte er zu jener Zeit nicht schon wieder nach Italien ziehen, da er andere wichtige Angelegenheiten mit seinen deutschen Lehnsfürsten zu regeln hatte. So übernahm Baudolino die Verhandlungen. Vor der Stadt angelangt, zögerte er hineinzugehen, aber am Tor kamen ihm seine Eltern entgegen, und alle drei zerflossen in befreiende Tränen. Die alten Gefährten taten, als ob er nie geheiratet hätte, und zogen ihn, noch ehe er anfangen konnte, von seinem Auftrag zu sprechen, in die Taverne von einst, wo sie ihn drängten, erstmal einen kräftigen Schluck zu nehmen, aber von einem herben Weißen aus Gavi, der nicht schläfrig machte, sondern erfrischte und den Geist anregte. Dann erzählte Baudolino, was er sich ausgedacht hatte.
Als erster reagierte der alte Gagliaudo: »Wenn man dem länger zuhört, wird man genauso ein Kindskopf wie er. Stellt euch bloß vor, wir sollen dieses Ringelspiel machen, dieses Raus und Rein, du her, ich hin, heißa hopsa trallala ... nein danke, fehlt nur noch, dass jemand dazu aufspielt, und wir tanzen Reigen zum Fest von San Baudolino ...«
»Nein, die Idee ist nicht schlecht«, sagte der Boidi, »abernachher müssen wir uns statt Alexandriner womöglich Caesariner nennen – Cesarini , bitte, wie klingt denn das, wie stehen wir dann da vor denen in Asti!«
»Hört auf, solchen Unsinn zu reden, man wird uns immer erkennen«, entgegnete Oberto del Foro. »Von mir aus kann der Kaiser die Stadt auch umtaufen, aber vor ihn hintreten und ihm huldigen, das will mir nicht runtergehen. Schließlich sind wir es, die ihm in den Hintern getreten haben, nicht er uns, also soll er sich nicht so aufspielen.«
Der Cuttica aus Quargnento sagte, er hätte nichts gegen das Umtaufen, ihm sei's egal, ob die Stadt Cesaretta oder Cesarone oder wer weiß wie heiße, von ihm aus könne sie auch Cesira, Olivia, Sophronia oder Eutropia heißen, aber das Problem sei, ob Friedrich dann seinen Stadtvogt herschicken wolle, oder ob er sich damit begnügen werde, die von ihnen gewählten Konsuln zu legitimieren.
»Geh zurück und frag ihn, wie er's machen will«, sagte Guasco. Und Baudolino: »Ah ja, das denkt ihr euch so, ich überquere die Alpen hin und her, bis ihr euch geeinigt habt. Nein, mein Lieber, ihr bevollmächtigt zwei von euch, mit mir zum Kaiser zu gehen, und wir überlegen uns etwas, das allen passt. Ich sage euch, wenn Friedrich noch einmal zwei Alexandriner vor sich sieht, kriegt er Bauchgrimmen und wird, bloß um sie rasch wieder loszuwerden, ein Abkommen akzeptieren.«
So begleiteten Baudolino zwei Abgesandte der Stadt, Anselmo Conanzi und Teobaldo, einer der Söhne des Guasco. Sie trafen den Kaiser in Nürnberg und erreichten ein Abkommen. Auch die Frage der Konsuln wurde sofort geklärt, es ging nur um die Wahrung der Form: Sollten die Alexandriner sie ruhig wählen, es genügte, dass der Kaiser sie dann nominell einsetzte. Was die Huldigung anging, hatte Baudolino seinen Adoptivvater beiseite genommen und gesagt: »Mein Vater, du kannst nicht selber kommen, du wirst einen Gesandten hinschicken müssen. Also schick mich. Schließlich bin ich Ministeriale, und als solcher bin ich dank deiner unendlichen Güte in den Adelsstand erhoben worden, ich bin ein Ritter , wie man hier sagt.«
»Ja, aber du gehörst bloß zum Dienstadel, du kannstzwar ein Lehen bekommen, aber es nicht übertragen, du kannst keine Vasallen haben, du ...«
»Und was, meinst du, interessiert das meine Landsleute? Für die genügt es, dass ich auf einem Pferd dahergeritten komme und Befehle erteile. Sie huldigen einem deiner Repräsentanten, also dir, aber dein Repräsentant bin ich , also einer von ihnen, und so merken sie's nicht so genau, dass sie dir huldigen. Danach kannst du sie, wenn du willst, den Treueid und all die anderen Schwüre vor einem deiner Kammerherrn ablegen lassen, der neben mir steht, und sie werden nicht mal merken, wer von uns beiden der Wichtigere ist. Du musst auch verstehen, wie diese Leute gestrickt sind. Wenn wir diese Sache für immer so regeln, wird es dann nicht für alle das beste sein?«
So wurde die Zeremonie Mitte März Anno Domini 1183 vollzogen. Baudolino hatte sich groß in Schale geworfen, so dass er wichtiger als der Markgraf von Montferrat aussah, und seine Eltern verschlangen ihn mit den Augen, wie er da hoch zu Ross einherkam, die Hand am Schwertknauf, auf einem Schimmel, der keinen Augenblick
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