Baudolino - Eco, U: Baudolino
sofort nach dem Ritus, sei Stephanos Hagiochristophorites mit einer Handvoll Bewaffneter zum Hause von Isaakios Angelos geeilt, das nahe beim Peribleptoskloster lag, habe laut nach seinem Feind gerufen und ihn aufgefordert herunterzukommen, und als das nichts half, habe er seine Leute angeschrien, sie sollten die Türe einschlagen, Isaakios am Bart packen und kopfüber die Treppe herunterzerren. Daraufhin beschloss Isaakios, so unentschlossen und ängstlich er allgemein galt, alles auf eine Karte zu setzen: Er sprang im Hof auf ein Pferd und preschte, das Schwert gezückt, fast unbekleidet, nur mit einem lächerlichen zweifarbigen Mäntelchen, das ihm kaum bis zu den Lenden reichte, überraschend hinaus. Der erschrockene Hagiochristophorites konnte sein Schwert nicht schnell genug ziehen, riss sein Maultier herum und versuchte zu fliehen, Isaakios setzte ihm nach und spaltete ihm mit einem einzigen Hieb den Schädel entzwei. Dann drehte er sich zu den Gefolgsleuten des nun zweiköpfigen Feindes um, schlug einem von ihnen ein Ohr ab und jagte die anderen in die Flucht.
Den Vertrauensmann des Kaisers zu töten war ein extremes Übel, das extreme Heilmittel erforderte. Isaakiosbewies ein feines Gespür für die rechte Behandlung des Volkes: Er flüchtete sich in die Hagia Sophia, um das Mördern dort traditionell gewährte Asyl zu erbitten, stieg auf den für solche Zwecke errichteten Sockel und bat lauthals um Vergebung für seine Missetat. Er riss sich das wenige, was er trug, vom Leibe, raufte sich den Bart, hielt das noch blutige Schwert in die Höhe und erklärte, dass er in Notwehr gehandelt habe; zugleich rief er die Untaten des Getöteten in Erinnerung.
»Diese Geschichte gefällt mir nicht«, sagte Zosimos, bestürzt über den plötzlichen Tod seines sinistren Beschützers. Aber noch weniger konnten ihm die Nachrichten gefallen, die in den folgenden Stunden eintrafen. Isaakios war in der Hagia Sophia von einflussreichen Persönlichkeiten wie seinem Onkel Johannes Dukas besucht worden, Isaakios hielt weiter Reden vor der immer größer werdenden Menge, gegen Abend hatte sich in der Kirche eine große Anzahl von Bürgern schützend um ihn versammelt, und manche begannen zu raunen, es sei an der Zeit, mit dem Tyrannen Schluss zu machen.
Ob nun Isaakios schon länger einen Staatsstreich plante, wie es Zosimos' Hokuspokus behauptet hatte, oder ob er sich bloß einen Fehler seiner Feinde zunutze machte – es war klar, dass der Thron des Andronikos nunmehr wankte. Und es war ebenso klar, dass es in dieser Situation verrückt gewesen wäre, sich in den kaiserlichen Palast zu begeben, der jeden Moment zu einem öffentlichen Schlachthaus werden konnte. So beschlossen unsere Freunde, in den Ruinen von Katabate abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Am nächsten Morgen wimmelte es in der Stadt von Bürgern, die lauthals forderten, dass Andronikos eingesperrt und Isaakios zum Kaiser gekrönt werden solle. Das Volk stürmte die Gefängnisse und befreite viele unschuldige Opfer des Tyrannen, darunter viele aus angesehenen Familien, die sich sofort dem Aufstand anschlossen. Aber mehr als ein Aufstand war es inzwischen eine Rebellion, ja eine Revolution, eine Machtergreifung. Die Bürger liefen bewaffnet durch die Straßen, die einen mit Schwertund Rüstung, die anderen mit Keulen und Knüppeln. Einige von ihnen, darunter nicht wenige Würdenträger des Reiches, die entschieden hatten, dass der Moment gekommen sei, sich einen anderen Selbstherrscher zu wählen, ließen die Krone Konstantins des Großen herab, die in der Hagia Sophia über dem Hauptaltar hing, und krönten Isaakios zum Kaiser.
Danach strömte die Menge kampflustig aus der Kirche und umzingelte den Palast. Andronikos machte einen verzweifelten Versuch, sich zu wehren, indem er Pfeile aus den Scharten des höchsten Turmes schoss, den man den Kentenarion nannte, aber dann musste er vor dem wütenden Andrang seiner Untertanen weichen. Es hieß, er habe sich das Kreuz vom Halse gerissen, die purpurnen Schuhe ausgezogen, sich eine barbarische Filzmütze auf den Kopf gestülpt und sei durch die labyrinthischen Gänge des Bukoleon auf sein Schiff geeilt, zusammen mit seiner Frau Anna und der Dirne Marapikte, in die er leidenschaftlich verliebt war. Isaakios hielt triumphalen Einzug in den Palast, die Menge strömte mit ihm hinein, ergoss sich in alle Räume und plünderte nicht nur die Münzstätte, die man die Chrysioplysia oder Goldwäsche nannte,
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