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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Zosimos einen großen Seufzer aus. Im Grunde war sein Experiment gut ausgegangen. Er rieb sich die Hände, deutete ein erleichtertes Lächeln an, holte den Kopf des toten Knaben aus dem Wasser und plazierte ihn wieder auf der kleinen Säule. Dann drehte er sich um, ließ seinen Blick triumphierend durch die ganze Krypta gleiten und brach in ein hysterisches Gelächter aus, wobei er die Arme hob und laut rief: »Ich habe den Basileus in der Hand! Jetzt würde ich nicht mal mehr Angst vor den Toten haben!«
    Er hatte noch kaum zu Ende gesprochen, als unsere Freunde langsam ins Licht traten. Wer mit magischen Praktiken umgeht, gelangt nicht selten zu der Überzeugung, dass, auch wenn er selbst nicht an den Teufel glaubt, der Teufel bestimmt an ihn glaubt. Beim Anblick einer Schar von Lemuren, die vor ihm erschien, als sei es der Tag des Jüngsten Gerichts, so plump das Ganze auch sein mochte, reagierte Zosimos mit exemplarischer Spontaneität: Ohne auch nur zu versuchen, seine Gefühle zu verbergen, verlor er die Besinnung und fiel in Ohnmacht.
    Er kam wieder zu sich, als der Poet ihn mit zukunftskündendem Wasser besprengte. Er schlug die Augen auf und fand sich eine Handbreit entfernt von der Nase eines Baudolino, der schrecklicher aussah, als wenn er ein Rückkehrer aus der anderen Welt gewesen wäre. In diesem Augenblick wurde Zosimos klar, dass ihn nicht die Flammen einer unbestimmten Hölle erwarteten, sondern unweigerlich die sehr bestimmte Rache seines alten Opfers.
    »Es war nur, um meinem Herrn zu dienen«, beeilte er sich zu sagen, »und es war auch, um dir einen Dienst zu erweisen. Ich habe deinen Brief besser in Umlauf gesetzt, als du es hättest tun können ...« Darauf sagte Baudolino: »Zosimos, nicht aus Bosheit, aber wenn ich tun müsste, was mir der Herr eingibt, dann müsste ich dir sämtliche Knochen im Leibe brechen. Da das jedoch sehr mühsam wäre, halte ich mich, wie du siehst, zurück.« Sprach's und gab ihm einen Hieb mit dem Handrücken, der ihm den Kopf zweimal um sich selbst kreisen ließ.
    »Ich bin ein Mann des Basileus, wenn ihr mir auch nur;ein Barthaar krümmt, schwöre ich euch ...« Der Poet packte ihn an den Haaren, näherte sein Gesicht den Flämmchen, die immer noch rings um das Becken brannten, und Zosimos Bart begann zu qualmen.
    »Ihr seid verrückt«, rief Zosimos, während er sich der Umklammerung durch Abdul und Kyot zu entwinden versuchte, die ihm jedoch die Arme auf den Rücken drehten. Um den Brand des Bartes zu löschen, drückte ihm Baudolino von hinten den Kopf ins Becken und hielt ihn dort so lange fest, bis der Elende, nicht mehr wegen des Feuers besorgt, sich wegen des Wassers zu sorgen begann und, je mehr er sich sorgte, desto mehr davon schluckte.
    »Den Bläschen, die du hast aufsteigen lassen«, sagte Baudolino feierlich, während er ihn an den Haaren hochzog, »entnehme ich die Wahrsagung, dass du heute Nacht nicht mit brennendem Bart, sondern mit gerösteten Füßen sterben wirst.«
    »Baudolino«, japste Zosimos, Wasser spuckend, »Baudolino, wir können uns immer noch einigen ... Lass mich husten, ich bitte dich, ich kann euch nicht entkommen, was wollt ihr machen, so viele gegen einen, habt ihr kein Erbarmen? Hör zu, Baudolino, ich weiß, du willst dich nicht rächen, weil ich diesen kleinen Moment der Schwäche gehabt habe, du willst das Land jenes Priesters Johannes finden, und ich habe dir gesagt, dass ich die richtige Karte habe, um dort hinzugelangen. Wenn man Erde ins Kaminfeuer wirft, löscht man das Feuer.«
    »Was soll das heißen, Halunke? Lass deine Sentenzen.«
    »Es soll heißen, wenn du mich umbringst, kriegst du die Karte nie. Oft springen die Fische, wenn sie im Wasser spielen, aus dem Wasser hinaus in die Luft und verlassen die Grenzen ihrer natürlichen Heimstatt. Schließen wir einen Pakt als ehrliche Menschen. Du lässt mich laufen, und ich führe dich dahin, wo sich die Karte des Kosmas Indikopleustes befindet. Mein Leben für das Reich des Priesters Johannes. Ist das nicht ein guter Handel?«
    »Ich würde dich lieber umbringen«, sagte Baudolino, »aber ich brauche dich lebend, um die Karte zu kriegen.«
    »Und dann?«
    »Dann wickeln wir dich gut zusammengebunden in einen Teppich und lassen dich da, bis wir ein sicheres Schiff gefunden haben, das uns von hier fortbringt, und erst wenn wir weit genug fort sind, entrollen wir den Teppich, denn wenn wir dich sofort rausließen, würdest du uns alle Meuchelmörder der Stadt auf den Hals

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