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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fühlen wir uns vereint wie in einer Familie, ich meine, wir mit allen anderen Eunuchen, die irgendwo auf der Welt regieren, und wir wissen, dass es auch im fernen Okzident sehr mächtige gibt, um nicht von den vielen anderen Reichen in Indien und Afrika zu reden. Wir bräuchten nur von einem besonders mächtigen Zentrum aus unsere Mitbrüder in allen Ländern der Erde zu einem geheimen Bund zu vereinigen, und wir hätten das größte aller Reiche gegründet. Ein Reich, das niemand erobern oder zerstören könnte, weil es nicht aus Armeen und Territorien bestünde, sondern aus einem Gewebe wechselseitigen Einverständnisses. Ihr wärt das Symbol und die Garantie unserer Macht.«
    Am nächsten Tag kam Praxeas zu Baudolino und gestand ihm, dass er den Eindruck habe, am Abend zuvor sehr dumme und sinnlose Sachen gesagt zu haben, die er nie ernst gemeint habe. Es tue ihm leid und er bitte sehr darum, seine Worte zu vergessen. Beim Abschied wiederholte er noch einmal: »Ich bitte euch, denkt daran, sie zu vergessen.«
    »Priester oder nicht«, kommentierte der Poet noch am selben Tag, »Praxeas bietet uns ein Reich an.«
    »Du bist verrückt«, entgegnete Baudolino, »wir haben eine Mission, und wir haben es Friedrich geschworen.«
    »Friedrich ist tot«, sagte der Poet trocken.
     
    Mit Erlaubnis der Eunuchen ging Baudolino häufig den Diakon besuchen. Sie hatten sich angefreundet, Baudolino erzählte ihm von der Zerstörung Mailands, von der Gründung Alexandrias, von den Einzelheiten der Belagerungen – wie man die Mauern erklimmt oder was man tun muss, um die Wurfmaschinen und Rammböcke der Angreifer in Brand zu stecken. Ihm schien, dass dem jungen Diakon bei diesen Erzählungen die Augen glänzten, obwohl sein Gesicht unter einem Schleier verborgen blieb.
    Danach fragte Baudolino den Diakon nach den theologischen Kontroversen, die in seiner Provinz tobten, und ihm schien, dass er bei der Antwort melancholisch lächelte. »Das Reich des Priesters ist uralt«, sagte er, »und in ihm haben alle Sekten Zuflucht gefunden, die im Lauf der Jahrhunderte aus der christlichen Welt des Okzidents ausgestoßen wurden.« Es war klar, dass für ihn auch Byzanz, von dem er wenig wusste, zum Fernen Okzident gehörte. »Der Priester hat keinem dieser Ausgestoßenen seinen Glauben nehmen wollen, und die Predigt vieler von ihnen hat die verschiedenen Bewohner des Reiches in Versuchung geführt. Aber schließlich, was macht das schon, wozu muss man wissen, wie die Allerheiligste Dreifaltigkeit wirklich beschaffen ist? All diese Leute brauchen bloß die Gebote des Evangeliums zu befolgen, und sie werden nicht in die Hölle kommen, bloß weil sie meinen, dass der Heilige Geist allein vom Vater ausgeht. Es sind gute Leute, du wirst es bemerkt haben, und mir bricht das Herz bei dem Gedanken, dass sie vielleicht eines Tages allesamt umkommen werden, benutzt und verheizt als Bollwerk gegen die Weißen Hunnen. Jawohl, Baudolino, so ist es: Solange mein Vater am Leben ist, herrsche ich über ein Reich von Todgeweihten. Aber vielleicht sterbe ich ja vor ihm.«
    »Was sagst du da, edler Herr? An deiner Stimme höre ich und schon wegen deines Erbpriester-Amtes weiß ich, dass du noch jung bist!« Der Diakon schüttelte traurig den Kopf. Da versuchte Baudolino ihn zu erheitern und erzählte ihm von seinen Studentenstreichen in Paris, doch er merkte, dass er damit nur unbändig-wilde Gelüste im Herzen des jungen Mannes weckte und zugleich Erbitterung darüber, dass er diese Gelüste nicht befriedigen konnte. So zeigte sich Baudolino als der, der er war und gewesen war, und vergaß, sich als einen der Magier auszugeben. Aber auch der Diakon legte keinen Wert mehr auf diese Fiktion und ließ durchblicken, dass er an die elf Magier ohnehin nie geglaubt und nur nachgesprochen habe, was ihm die Eunuchen vorgesagt hatten.
    Angesichts seines offenkundigen Grams darüber, dass er von den Freuden der Jugend ausgeschlossen war, versuchteBaudolino ihm eines Tages klarzumachen dass man das Herz auch voller Liebe für eine unerreichbare Geliebte haben konnte, und erzählte ihm von seiner Leidenschaft für eine hochedle Dame und von den Briefen, die er an sie geschrieben hatte. Der Diakon hörte ihm mit wachsender Erregung zu, dann brach er in eine heftige Klage aus: »Alles ist mir verboten, Baudolino, auch eine bloß geträumte Liebe. Wenn du wüsstest, wie gern ich an der Spitze eines Heeres reiten würde, dem Geruch des Windes folgend und dem Geruch des

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