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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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lebten, und offenbar tat uns das Klima gut, denn wir kamen uns alle verjüngt vor, ich zum Beispiel sah aus, als hätte ich zehn Jahre weniger auf dem Buckel als zur Zeit unserer Ankunft. Wir waren körperlich kräftig und geistig schlaff, wenn ich so sagen darf. Wir hatten uns so sehr mit den Leuten von Pndapetzim identifiziert, dass wir sogar anfingen, uns für ihre theologischen Debatten zu erwärmen.«
    »Mit wem hieltet ihr es?«
    »Tatsächlich hatte alles damit angefangen, dass dem Poeten das Blut kochte und er es nicht mehr ohne ein weibliches Wesen aushielt. Dabei schaffte das sogar der arme Colandrino, aber der war ein Engel auf Erden, wie seine arme Schwester. Den Beweis dafür, dass auch unsere Augen sich an jenen Ort gewöhnt hatten, bekam ich, als der Poet anfing, für eine junge Panothierin zu schwärmen. Ihre langen fließenden Ohren hatten es ihm angetan, die Weiße ihrer Haut erregte ihn, er fand sie biegsam und pries ihre schön gezeichneten Lippen. Er hatte zufällig mit angesehen, wie zwei Panothier sich im Freien paarten, und ihm schien es sehr lustvoll gewesen zu sein: Beide hatten einander mit ihren Ohren umhüllt und kopulierten wie im Inneren einer Muschel, oder als ob sie jene Fleischbällchen in Weinblättern wären, die wir in Armenien gekostet hatten. Es muss wunderbar gewesen sein, sagte er. Dann, als die Panothierin, der er sich zu nähern versuchte, sich sträubte, hatte er sich in eine Blemmyerin verguckt. Er fand, dass sie, einmal abgesehen von ihrem fehlenden Kopf, eine zarte Hüfte und eine einladende Vagina hatte, und im übrigen müsse es wunderbar sein, eine Frau auf den Mund zu küssen, als küsse man sie auf den Bauch. So hatte er angefangen, die Blemmyer zu frequentieren. Eines Abends nahm er uns zu einer ihrer Versammlungen mit. Die Blemmyer hätten, wie alle Monster jener Provinz, keine Angehörigen der anderen Rassen zu ihren Debatten über die heiligen Dinge zugelassen, aber wir waren anders, man hielt es nicht für möglich, dass auch wir schlecht denken könnten, im Gegenteil, jede Rasse war überzeugt, dass wir so dachten wie sie. Der einzige, der seine Enttäuschung über unsere Vertrautheit mit den Blemmyern gern gezeigt hätte, war Gavagai, aber inzwischen war es soweit, dass der getreue Skiapode uns verehrte, und so konnte alles, was wir taten, für ihn nur wohlgetan sein. Ein bisschen aus Naivität, ein bisschen aus Liebe hatte er sich eingeredet, wir gingen zu den Riten der Blemmyer, um sie zu lehren, dass Jesus der Adoptivsohn Gottes gewesen sei.«
     
    Die Kirche der Blemmyer befand sich auf Bodenhöhe, eine bloße Fassade mit zwei Säulen und einem Tympanon, alles übrige war im Innern des Felsens. Der Priester rief die Gläubigen zur Andacht, indem er mit einem Hämmerchen auf eine mit Seilen umwickelte Steinplatte schlug, die scheppernd wie eine geborstene Glocke klang. Innen sah man nur den Altar, beleuchtet von Lampen, in denen, nach dem Geruch zu urteilen, nicht Öl, sondern Butter brannte, vielleicht Ziegenmilchbutter. Es gab weder Kruzifixe noch andere Bilder, weil, wie der Blemmyer erklärte, der Baudolino und den Seinen als Führer diente, nach Überzeugung der Blemmyer (der einzig richtigen) der Logos nicht Fleisch geworden war und sie also nicht das Bild eines Bildes verehren konnten. Aus dem gleichen Grund könnten sie auch die Eucharistie nicht ernst nehmen, weshalb es in ihrer Messe keine Wandlung gebe. Nicht einmal das Evangelium könnten sie lesen, denn es sei ja bloß die Erzählung einer Sinnestäuschung.
    Baudolino fragte, was für eine Art von Messe sie denn dann noch feiern könnten, und der Führer sagte, tatsächlich versammelten sie sich zum Gebet, und dann diskutierten sie alle gemeinsam über das große Mysterium der falschen Fleischwerdung, das gänzlich aufzuklären ihnen noch nicht gelungen sei. Und wirklich, nachdem die Blemmyer niedergekniet waren und sich eine halbe Stunde lang in ihren seltsamen Vokalisen ergangen hatten, eröffnete der Priester das, was er ihr heiliges Palaver nannte.
    Einer der Gläubigen stand auf und gab zu bedenken, dass der Jesus der Passion vielleicht kein echtes Phantasma gewesen sei, sonst müsste man ja die Apostel für blöd erklären, sondern eine höhere Macht, die vom Vater ausgegangen sei, ein Äon, der in den schon vorhandenen Leib eines Zimmermanns aus Galiläa gefahren sei. Ein anderer brachte den Gedanken vor, dass vielleicht Maria, wie einige schon erwogen hatten, zwar wirklich ein

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