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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Rose anbetet, die Languste, ein gepanzertes Monster in flammendem Rot, das rückwärts flieht, um sich vor den auf sein Fleisch begierigen Jägern zu retten, den Aal, eine furchterregende Wasserschlange, die jedoch sehr fett ist und köstlich schmeckt, die Möwe, die über den Wassern schwebt, als wäre sie ein Engel des Herrn, aber schrille Schreie ausstößt wie ein Teufel, die Amsel, ein schwarzer Vogel mit gelbem Schnabel, der sprechen kann wie ein Mensch und denunziatorisch immer das sagt, was sein Herr ihm anvertraut hat, den Schwan, der majestätisch durchs Wasser pflügt und im Moment seines Todes eine wundersüße Melodei anstimmt, das Mauswiesel, das biegsam ist wie ein junges Mädchen, den Falken, der im Sturzflug auf seine Beute niederfährt und sie dem Ritter bringt, der ihn aufgezogen hat. Ich malte ihm die Pracht von Edelsteinen aus, die er nie gesehen hatte (sowenig wie ich): die purpurnen und milchigen Flecken der Murrhina, die violetten und weißen Adern einiger ägyptischer Steine, das Gleißen des Orichalkums, die Transparenz des Kristalls, das Funkeln des Diamanten, und dann pries ich ihm den Glanz des Goldes, eines weichen Metalls, das zu feinsten Blättern geformt werden kann, das Zischen der glühenden Klingen, wenn sie zum Abkühlen ins Wasser gehalten werden, ich hielt ihm vor Augen, welche unvorstellbaren Reliquiare in den Schatzhäusern der großen Abteien zu sehen sind, wie hochund spitz die Türme unserer Kirchen sind, wie hoch und gerade die Säulen des Hippodroms in Konstantinopel, was für Bücher die Juden lesen, Bücher voller Zeichen, die wie Insekten aussehen, und was für Laute sie ausstoßen, wenn sie darin lesen, wie ein großer christlicher König einmal von einem Kalifen einen eisernen Hahn geschenkt bekam, der bei jedem Sonnenaufgang ganz von selber krähte, was es mit jener Kugel auf sich hat, die sich dreht und dabei Dampf ausstößt, wie die Archimedes-Spiegel brennen und Dinge in Brand stecken können, wie erschreckend es ist, wenn man nachts eine Windmühle sieht, und schließlich erzählte ich ihm vom Gradal, von den Rittern, die ihn noch immer in der Bretagne suchen, und dass wir ihn seinem Vater zurückbringen würden, sobald wir den treulosen Zosimos wiedergefunden hätten. Als ich sah, dass all diese Herrlichkeiten ihn faszinierten, zugleich aber ihre Unerreichbarkeit ihn betrübte, hielt ich es für gut – um ihm deutlich zu machen, dass es noch schlimmere Leiden gab als das seine –, ihm von den Folterqualen des Andronikos zu erzählen, mit Einzelheiten, die weit übertrafen, was ihm angetan worden war, von den Massakern in Crema, von den Gefangenen mit abgeschnittenen Händen, Ohren und Nasen, ich malte ihm unsägliche Krankheiten aus, mit denen verglichen die Lepra das kleinere Übel war, ich beschrieb ihm als grässliche Leiden die Skrofulose, die Wundrose, die Gürtelrose, den Veitstanz, den Tarantelstich, die Krätze, die einen dazu bringt, sich die Haut Schuppe für Schuppe aufzukratzen, den unheilvollen Biss der Aspisviper, die Marter der heiligen Agathe, der sie die Brüste abrissen, die der heiligen Lucia, der sie die Augen ausstachen, die des heiligen Sebastian, der von Pfeilen durchbohrt wurde, die des heiligen Stephanus, dessen Schädel von Steinen zertrümmert wurde, die des heiligen Laurentius, der bei kleinem Feuer auf einem Rost gebraten wurde, und ich erfand weitere Heilige und weitere Grässlichkeiten, wie den heiligen Ursicinus, den sie vom Anus bis zum Mund mit einem Pfahl durchbohrten, den heiligen Sarapion, dem sie die Haut abzogen, den heiligen Mopsuestios, den sie mit Armen und Beinen an vier rasende Pferdebanden und vierteilten, den heiligen Dracontios, den sie zwangen, kochendes Pech zu trinken ... Mir schien, dass ihm diese Greuel eine gewisse Erleichterung verschafften, aber dann fürchtete ich, übertrieben zu haben, und ging dazu über, ihm die weiteren Schönheiten der Welt zu beschreiben, die den Gefangenen schon erquickten, wenn er bloß an sie dachte: die Anmut der jungen Pariserinnen, den trägen Liebreiz der venezianischen Dirnen, den unvergleichlichen Duft einer Kaiserin, das kindliche Lachen meiner Colandrina, die Augen einer fernen Prinzessin. Er geriet in Erregung, wollte mehr davon hören, fragte nach dem Haar der Gräfin Melisande von Tripoli, nach den Lippen jener strahlenden Schönheiten, die die Ritter von Broceliande mehr verzauberten als der Gradal; er erregte sich, Gott vergebe mir, aber ich glaube, dass er ein-

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