Baudolino - Eco, U: Baudolino
Hinterkopf geschmiegt.«
Der Poet packte jeden der drei am Gewand und schüttelte sie, überhäufte sie mit Beleidigungen, brüllte, er lasse sich nicht von ihnen an der Nase herumführen, und tobte, als wäre ein Dämon in ihn gefahren. Da ließ Baudolino sein Reliquiar hinter einer Säule und trat aus seinem Versteck hervor. »Ich bin es, der den Gradal hat«, sagte er.
Der Poet hielt überrascht inne. Dann lief er dunkelrot an und sagte: »Du hast uns belogen, die ganze Zeit! Und ich hielt dich für den Reinsten unter uns!«
»Ich habe euch nicht belogen. Ich wusste es selber nicht, bis heute Abend. Du hast dich beim Zählen der Köpfe vertan.«
Der Poet streckte die Hände zu dem Freund und sagte mit Schaum vor dem Mund: »Gib ihn mir!«
»Warum dir?« fragte Baudolino.
»Unsere Reise ist zu Ende«, wiederholte der Poet. »Es war eine von Unglück verfolgte Reise, und dies ist meine letzte Möglichkeit. Gib ihn mir, oder ich bringe dich um.«
Baudolino wich einen Schritt zurück und legte die Hände um die Griffe seiner beiden arabischen Dolche. »Du wärst dazu fähig, nachdem du wegen dieses Gegenstandes schon Friedrich umgebracht hast.«
»Blödsinn!« sagte der Poet. »Du hast doch gehört, was diese drei eben gestanden haben.«
»Drei Geständnisse sind zu viel für einen einzigen Mord«, sagte Baudolino. »Ich könnte dir erwidern, selbst wenn jeder von ihnen getan hätte, was er getan hat, hast du es sie doch tun lassen. Es hätte genügt, als du Boron denHebel der Pumpe betätigen sahst, ihn daran zu hindern. Es hätte genügt, als Kyot den Spiegel bewegt hatte, Friedrich zu warnen, bevor die Sonne aufging. Du hast es nicht getan. Du wolltest, dass jemand Friedrich umbrachte, um dann daraus Nutzen zu ziehen. Aber ich glaube nicht, dass einer von diesen armen Freunden den Tod des Kaisers verursacht hat. Als ich dich hinter der Ikonostase reden hörte, ist mir das Medusenhaupt eingefallen, durch das man in Friedrichs Zimmer hören konnte, was unten in der Schnecke gemurmelt wurde. Jetzt werde ich dir sagen, was geschehen ist. Schon vor Beginn der Expedition nach Jerusalem hast du deine Ungeduld kaum bezähmen können, du wolltest auf eigene Faust zum Reich des Priesters aufbrechen, mit dem Gradal. Du hast nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, den Kaiser loszuwerden. Danach hättest du zwar noch uns am Hals gehabt, aber wir waren offensichtlich für dich kein Hindernis. Oder vielleicht wolltest du das tun, was Zosimos vor dir getan hat. Das weiß ich nicht. Aber ich hätte schon lange merken müssen, dass du inzwischen deine eigenen Träume verfolgtest, nur hatte die Freundschaft mir den Blick getrübt.«
»Sprich weiter«, sagte der Poet grinsend.
»Das tue ich. Als Solomon in Kalliupolis das Gegengift kaufte, hatte der Händler, ich erinnere mich noch gut daran, uns auch eine genau gleich aussehende Phiole mit einem sehr wirksamen Gift angeboten. Nach dem Besuch in jenem Zelt hatten wir dich im Gedränge für eine Weile aus den Augen verloren. Dann bist du wieder aufgetaucht, aber du hattest kein Geld mehr und hast behauptet, du seist bestohlen worden. In Wahrheit bist du, während wir über den Markt bummelten, rasch noch einmal dorthin zurückgekehrt und hast das Gift gekauft. Es wird dir nicht schwer gefallen sein, Solomons Phiole durch deine zu ersetzen, während der langen Reise durch das Land des Sultans von Ikonion gab es Gelegenheiten genug. Am Abend vor Friedrichs Tod warst du es dann, der ihm mit lauter Stimme riet, sich ein Gegengift zu besorgen. So hast du den guten Solomon auf die Idee gebracht, ihm seines anzubieten – also dein Gift. Für einen Augenblick musst du sehrerschrocken gewesen sein, als Kyot sich anbot, davon zu kosten, aber dann ist dir wohl eingefallen, dass diese Substanz, in kleinen Dosen eingenommen, nichts schadete, und nur zum Tod führte, wenn man alles auf einmal trank. Dass Kyot in jener Nacht ein so starkes Bedürfnis nach frischer Luft gehabt hatte, könnte daran gelegen haben, dass auch jener winzige Schluck ihm zugesetzt hatte, aber da bin ich mir nicht sicher.«
»Und wo bist du dir sicher?« fragte der Poet immer noch grinsend.
»Ich bin mir sicher, dass du, bevor du Boron und Kyot an Ardzrounis Maschinen herumspielen sahst, deinen Plan schon fertig im Kopf hattest. Du bist in den Saal mit der Schnecke gegangen, in der man sprechen musste, um oben in Friedrichs Zimmer gehört zu werden. Dass dieses Spiel dir gefällt, hast du ja auch heute
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