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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sich mit Baudolino. Woraufhin Boron, nachdem er einen Moment wie vor Schreck erstarrt geblieben und sich umgeschaut hatte, als ob er nicht mehr wüsste, wo er war, etwas vom Paradies zu sehen begann.
    Er sprach und erzählte von einem gewissen Tugdalus, der anscheinend sowohl die Hölle wie das Paradies besucht hatte. Von der Hölle brauche er nicht zu reden, aber das Paradies sei ein Ort voller Güte, Freude, Fröhlichkeit, Wonne, Schönheit, Gesundheit, Eintracht, Einigkeit, Anstand, Nächstenliebe und Ewigkeit ohne Grenzen, es werde geschützt von einer Mauer aus Gold, hinter welcher sich viele mit Edelsteinen geschmückte Sitze erhöben, auf denen Männer und Frauen säßen, junge und alte, gekleidet in seidene Tücher, und ihre Gesichter strahlten wie die Sonne, und ihre Haare glänzten wie pures Gold, und alle sängen Halleluja und läsen ein Buch mit goldenen Lettern.
    »Nun«, sagte Boron sehr vernünftig, »in die Hölle kann jeder kommen, man muss es nur wollen, und manchmal kommt auch jemand von dort zurück und erzählt davon in Form eines Albtraums, eines Inkubus oder Sukkubus oder sonst einer schlimmen Vision. Aber kann man wirklich annehmen, dass jemand, der solche Dinge gesehen haben will, ins Himmlische Paradies gelangt ist? Und selbst wenn es dort tatsächlich so zuginge, ein Lebender wäre niemals so schamlos, es zu erzählen, gewisse Mysterien muss ein anständiger und bescheidener Mensch doch für sich behalten!«
    »Gebe Gott, dass nie einer auf dem Angesicht der Erde erscheint, der so sehr von Eitelkeit zerfressen ist«, kommentierte Baudolino, »dass er das Vertrauen missbraucht, das der Herr ihm geschenkt hat!«
    »Nun also«, sagte Boron, »ihr kennt sicher die Geschichte von Alexander dem Großen, der am Ufer des Ganges anlangt und dort eine Mauer vorfindet, die dem Lauf des Flusses folgt, aber nirgendwo ein Tor hat. Er folgt der Mauer, und nach drei Tagen sieht er ein kleines Fenster, aus dem ein alter Mann schaut; die Reisenden verlangen,dass die Stadt Alexander als dem König der Könige einen Tribut zollt, aber der Alte erwidert, dies sei die Stadt der Glückseligen. Alexander, der zwar ein großer König, aber ein Heide war, kann unmöglich in der Himmlischen Stadt angelangt sein, folglich muss das, was er und Tugdalus gesehen haben, das Irdische Paradies gewesen sein. Dasselbe, das ich in diesem Moment gerade sehe ...«
    »Wo?«
    »Da.« Er deutete in eine Ecke des Zimmers. »Ich sehe einen Ort mit lieblichen grünen Wiesen, auf denen Blumen und duftende Kräuter wachsen, während ringsum ein süßer Geruch in der Luft liegt, der bewirkt, dass es mich überhaupt nicht mehr nach Speise und Trank verlangt. Ich sehe eine herrliche Wiese mit vier ehrwürdig aussehenden Männern, sie tragen goldene Kronen auf dem Kopf und Palmzweige in den Händen ... Ich höre einen Gesang, ich rieche Balsamduft, o mein Gott, ich spüre eine Süßigkeit auf der Zunge wie von Honig ... Ich sehe eine Kirche, ganz aus Kristall, mit einem Altar in der Mitte, aus dem Wasser quillt, weiß wie Milch. Die Kirche glänzt und strahlt auf der Nordseite wie ein einziger riesiger Edelstein, im Osten ist sie rot wie Blut, im Westen weiß wie Schnee, und über ihr funkeln unzählige Sterne, die heller sind als die Sterne an unserem Himmel. Ich sehe einen Mann mit schlohweißem Haar, er ist gefiedert wie ein Vogel, und seine Augen sind kaum zu sehen unter den dichten weißen Brauen. Er zeigt mir einen Baum, der diejenigen, die in seinem Schatten sitzen, niemals alt werden lässt und von jeder Krankheit heilt, und einen anderen, der Blätter in allen Regenbogenfarben hat. Aber wieso sehe ich dies alles heute Abend?«
    »Vielleicht hast du irgendwo etwas davon gelesen, und der Wein hat es dir wieder vors geistige Auge gebracht«, sagte Abdul. »Dieser treffliche Mann, der auf meiner Insel lebte und kein anderer war als der heilige Brendan, ist über die Meere gesegelt bis zu den äußersten Rändern der Erde, und er hat eine Insel entdeckt, die prallvoll von reifen Trauben war, blauen, roten und weißen, und es gab dort sieben wunderbare Brunnen und sieben Kirchen, eine aus Kristall, die andere aus Granat, die dritte aus Saphir, dievierte aus Topas, die fünfte aus Rubin, die sechste aus Smaragd und die siebente aus Korallengestein, und jede hatte sieben Altäre und sieben Ewige Lampen. Und vor jeder Kirche mitten auf einem Platz stand eine Säule aus Chalzedon, auf deren Spitze sich ein Rad mit Schellenglöckchen

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