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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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stellte und sein Joch als süß bezeichnete. Aber er wollte sich nicht darauf verlassen, es durch einen Boten zu schicken, sondern beschloss, selbst nach Italien zu reisen, wo inzwischen so viele Dinge geschehen waren, dass er Mühe hatte, sie für Niketas zusammenzufassen.
     
    »Rainald hatte sein Leben damit verbracht, ein Bild des Kaisers als Herrn der Welt zu schaffen, als Friedensfürst, Quell allen Rechts und niemandes Untertan, rex et sacerdos , König und Priester zugleich, wie Melchisedek, und so konnte es nicht ausbleiben, dass er mit dem Papst in Konflikt geriet. Nun war jener Papst Hadrian, der Friedrich in Rom gekrönt hatte, zur Zeit der Belagerung von Crema gestorben, und die Mehrheit der Kardinäle hatte Kardinal Bandinelli zum neuen Papst Alexander III. gewählt. Für Rainald war das eine Ohrfeige, denn zwischen ihm undBandinelli stand es wie zwischen Hund und Katze, und in der Frage des päpstlichen Primats wich der neue Pontifex keine Handbreit zurück. Ich weiß nicht, wie Rainald es angestellt hat, aber irgendwie hatte er dann erreicht, dass einige Kardinäle und Anhänger des Senats einen Gegenpapst wählten, Viktor IV., den er und Friedrich nach Belieben lenken und benutzen konnten. Natürlich hat Alexander III. sowohl Friedrich wie Viktor unverzüglich exkommuniziert, und es genügte nicht zu erklären, Alexander sei nicht der richtige Papst und seine Exkommunikation sei ungültig, denn einerseits neigten die Könige von Frankreich und England dazu, ihn anzuerkennen, und andererseits war es für die italienischen Städte ein Geschenk des Himmels, einen Papst zu haben, der sagte, dass der Kaiser ein Kirchenspalter sei und man ihm folglich keinen Gehorsam schulde. Zudem kamen Berichte, dass Alexander mit eurem Basileus Manuel verhandelte, auf der Suche nach einem größeren Reich als demjenigen Friedrichs, um sich darauf zu stützen. Wenn Rainald wollte, dass Friedrich als einziger Erbe des Römischen Reiches anerkannt wurde, musste er den überzeugenden Beweis einer Abstammung finden. Das war der Grund, warum er den Poeten an die Arbeit gesetzt hatte.«
    Niketas hatte Mühe, Baudolinos Geschichte säuberlich Jahr für Jahr zu verfolgen. Ihm schien nicht nur, dass auch sein Augenzeuge ein bisschen durcheinanderbrachte, was jeweils vorher und nachher geschehen war, sondern er fand auch, dass die Geschehnisse mit und um Friedrich sich immerfort wiederholten, und er begriff nicht mehr, wann nun die Mailänder wieder zu den Waffen gegriffen hatten, wann sie Lodi erneut bedrohten und wann der Kaiser von neuem nach Italien gezogen war. Wenn dies eine Chronik wäre, sagte er sich, bräuchte man bloß irgendeine Seite aufzuschlagen und fände immer dieselben Geschichten. Als wäre es einer von jenen Träumen, in denen ständig dasselbe passiert und man sich flehentlich wünscht, endlich aufzuwachen.
    Immerhin glaubte Niketas verstanden zu haben, dass die Mailänder schon seit zwei Jahren, mal mit verbalenBosheiten, mal mit Scharmützeln, Friedrich in Schwierigkeiten gebracht hatten, und dass im folgenden Jahr der Kaiser, unterstützt von den Städten Novara, Asti, Vercelli, dem Markgrafen von Montferrat und dem von Malaspina, dem Grafen von Biandrate sowie den Bürgern von Como, Lodi, Bergamo, Cremona, Pavia und einigen anderen Städten neuerlich an die Belagerung Mailands gegangen war. Eines schönen Morgens im Frühling traf Baudolino, inzwischen zwanzigjährig, mit dem Salve mundi domine für den Poeten und seinem Briefwechsel mit Beatrix, den er nicht als Beute für Diebe in Paris hatte zurücklassen wollen, vor den Toren jener Stadt ein.
    »Ich hoffe, Friedrich hat sich in Mailand besser aufgeführt als in Crema«, sagte Niketas.
    »Eher noch übler, nach dem, was ich bei meiner Ankunft erfuhr. Sechs Gefangenen aus Melzo und Roncate hatte er die Augen ausstechen lassen, einem Mailänder hatte er nur eines ausgestochen, damit er die anderen nach Mailand zurückführen konnte, aber dafür hatte er ihm die Nase abgeschnitten. Und wenn er jemanden ertappte, der Waren nach Mailand einzuschmuggeln versuchte, ließ er ihm die Hände abhacken.«
    »Da siehst du, auch er ließ Augen ausstechen.«
    »Aber nur einfachen Leuten, nicht edlen Herren wie ihr. Und nur seinen Feinden, nicht seinen Verwandten.«
    »Rechtfertigst du ihn?«
    »Jetzt ja, damals nicht. Damals war ich entsetzt. Ich wollte ihn zuerst gar nicht wiedersehen. Aber ich musste ihm meine Aufwartung machen, das war nicht zu vermeiden.«
    Als

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