Baudolino - Eco, U: Baudolino
verschwindet, auch nicht, wenn sie ganz niedergerissen wird, siehe Lodi oder Mailand. Also warten sie's ab, und hinterher nützt ihnen auch das, was von der Stadt noch übrig geblieben ist, zur Kontrolle der Transitwege, und womöglich bezahlen sie noch dafür, um wieder hochzuziehen, was sie niederzureißen mitgeholfen haben, heutzutage geht alles um Geld, das zirkuliert, und sie sind immer mittendrin.«
»Baudolino«, sagte der Ghini, »du bist gerade erst angekommen und hast nicht die Sturmangriffe im Oktober und in den letzten Wochen gesehen. Diese Kerle schlagen hart zu, sage ich dir, nicht nur die genuesischen Armbrustschützen, auch diese Böhmen mit den fast weißen Schnurrbärten, wenn es denen gelingt, die Leiter anzulegen, dann ist es Schwerarbeit, sie runterzuwerfen ... Freilich, ich nehme an, dass sie mehr Tote haben als wir, denn trotz ihrer Schildkröten und ihrer Widder haben sie viele dicke Brocken auf den Kopf gekriegt. Aber es ist schon hart, und es zieht sich in die Länge.«
»Wir haben gehört«, sagte der Trotti, »dass die Truppen der Liga sich in Bewegung gesetzt haben und den Kaiser von hinten angreifen wollen. Weißt du nichts davon?«
»Das ist uns auch zu Ohren gekommen, und deswegen will Friedrich euch vorher in die Knie zwingen. Ihr ...«, er ließ die Hand mit gestrecktem Daumen und Zeigefinger rotieren, »ihr denkt wohl gar nicht daran, euch zu ergeben, oder?«
»Na hör mal! Unsere Köpfe sind noch härter als unsere Schwänze.«
So ging es ein paar Wochen lang: Nach jedem Scharmützel begab sich Baudolino in die Stadt, vor allem, um zu erfahren, wer diesmal gefallen war (auch der Panizza? Auch der Panizza, er war ein braver Junge), und kehrte dann zu Friedrich zurück, um ihm zu sagen, dass die Belagerten gar nicht daran dächten zu kapitulieren. Friedrich schimpfte nicht mehr, sondern begnügte sich mit Sätzen wie: »Und was kann ich da tun?« Es war klar, dass es ihn mittlerweile reute, sich auf diese verwickelte Angelegenheit eingelassen zu haben: Das Heer zerfiel ihm, die Bauern versteckten das Korn und das Vieh im Wald oder schlimmer noch in den Sümpfen, man konnte sich weder in nördlicher noch in östlicher Richtung bewegen, ohne auf irgendeine Vorhut der Liga zu stoßen – kurzum, nicht dass diese Dorflackel tapferer als die Bürger von Crema waren, aber wenn etwas schiefläuft, dann läuft es schief. Andererseits konnte er auch nicht einfach abziehen, dann hätte er das Gesicht für immer verloren.
Was die Rettung des Gesichts betraf, so verstand Baudolino aus einer Anspielung, die der Kaiser eines Tages auf seine als Kind geäußerte Prophezeiung über die Kapitulation von Tortona machte, dass er, wenn er nur ein Zeichen vom Himmel bekäme, irgend etwas, um aller Welt sagen zu können, der Himmel selbst habe ihm geraten, nach Hause zurückzukehren, dann würde er die Gelegenheit schon nutzen ...
Eines Tages, während Baudolino mit den Belagerten sprach, sagte Gagliaudo zu ihm: »Hör mal, du bist doch so intelligent und hast über Büchern studiert, in denen alles geschrieben steht, hast du nicht irgendeine Idee, wie alle nach Hause gehen könnten? Wir haben schon unser ganzes Vieh bis auf eine Kuh schlachten müssen, und deine Mutter, wenn die hier noch länger in der Stadt eingeschlossen bleibt, dann erstickt sie.«
Da kam Baudolino tatsächlich eine schöne Idee, und sogleich fragte er, ob sie eigentlich jenen falschen Tunnel gebaut hätten, von dem Trotti vor ein paar Jahren gesprochen hatte, bei dem der Feind glauben sollte, dass er in dieStadt führe, und statt dessen führte er den Angreifer in eine Falle. »Selbstverständlich«, sagte Trotti, »komm ihn dir ansehen. Schau, die Öffnung ist dort unten, in dem Dickicht dort etwa zweihundert Schritte vor der Mauer, direkt unter einer Art Grenzstein, der da scheinbar seit tausend Jahren liegt, dabei haben wir ihn extra von Villa del Foro hergeschleppt. Und wer dort draußen reingeht, kommt hier drinnen bei diesem Gitter raus, von dem aus man nur diese Taverne sieht und sonst gar nichts.«
»Und jedem, der rauskommt, gebt ihr eins auf die Rübe?«
»Also die Sache ist die, dass für gewöhnlich in einen so engen Tunnel, bei dem es Tage dauern würde, bis alle Belagerer durch sind, erstmal nur eine kleine Gruppe reingeht, um die Lage zu sondieren und den Ausgang zu öffnen. Und ganz abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wie wir den Feinden mitteilen sollen, dass da ein Tunnel ist – was hast du
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