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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und dann, wenn es brenzlig wurde, ihn in die Gefahr schickte, um selber die Rolle des Aufpassers zu übernehmen. Doch Baudolino hatte das Schwert gezückt, sicher um ihm den Rücken zu decken, obwohl man das ja bei diesen Herren nie weiß, und so bekreuzigte sich der Spitzel und stieg hinunter. Als er nach etwa zwanzig Minuten zurückkam, erzählte er keuchend, was Baudolino schon wusste, nämlich dass sich am Ende des Ganges ein nicht sehr schwer zu entfernendes Eisengitter befinde, hinter dem ein leerer Platz zu sehen sei, dass also der Tunnel direkt in die Stadt hineinführe.
    »Gab es Biegungen«, fragte Baudolino, »oder ist es immer geradeaus gegangen?« – »Immer geradeaus«, sagte der andere. Und Baudolino, als spreche er mit sich selbst: »Also befindet sich der Ausgang nur wenige Dutzend Schritte hinter dem Tor. Dieser Bestochene hatte also recht ...« Dann sagte er zu dem Brabanter: »Du hast kapiert, waswir entdeckt haben. Beim nächsten Sturmangriff kann eine Handvoll mutiger Männer in die Stadt eindringen, sich bis zum Tor durchschlagen und es von innen öffnen. Es genügt, dass draußen andere bereitstehen, um hineinzustürmen. Mein Glück ist gemacht! Aber du darfst niemandem sagen, was du hier gesehen hast, ich will nicht, dass sich jemand meine Entdeckung zunutze macht.« Er drückte ihm zur Bekräftigung eine Münze in die Hand, und der Preis des Schweigens war so lächerlich, dass der Spitzel wenn nicht aus Treue zu Ditpold, so zumindest aus Rache sofort loslaufen und ihm alles erzählen würde.
    Man kann sich leicht vorstellen, was dann geschah. In der Annahme, dass Baudolino die Entdeckung geheim halten wolle, um seinen belagerten Freunden nicht zu schaden, eilte Ditpold zum Kaiser, um ihm zu sagen, dass sein geliebter Adoptivsohn einen Geheimgang in die Stadt entdeckt habe, aber sich hüte, es zu sagen. Der Kaiser hob die Augen zum Himmel, als wollte er sich für den gesegneten Warner bedanken, dann sagte er zu Ditpold: »Also gut, ich biete dir an, berühmt zu werden. Gegen Abend stelle ich dir ein gutes Kontingent Sturmtruppen direkt vors Tor, ich lasse ein paar Schildkröten bei dem Dickicht postieren, damit es fast dunkel ist und nicht auffällt, wenn du mit deinen Leuten in den Tunnel steigst, ihr dringt in die Stadt ein, öffnet das Tor von innen, und von einem Tag auf den anderen bist du ein Held geworden.«
    Der Bischof von Speyer erhob sogleich Anspruch auf das Kommando über die Truppe vor dem Tor, denn Ditpold sei für ihn, sagte er, wie ein Sohn, und das können wir uns denken.
    Als Trotti am Nachmittag des Karfreitags sah, dass die Kaiserlichen sich vor dem Tor versammelten, und das, während es schon dunkelte, begriff er, dass es sich um eine Finte handelte, mit der die Aufmerksamkeit der Belagerten abgelenkt werden sollte, und dass der Schlaukopf Baudolino dahinterstecken musste. Daher beeilte er sich, nachdem er die Sache allein mit dem Guasco, dem Boidi und Oberto del Foro besprochen hatte, einen glaubwürdigen Sankt Peter herbeizuschaffen, und dazu bot sich einer der ältestenKonsuln an, Rodolfo Nebia, der das richtige Aussehen hatte. Sie verloren lediglich eine halbe Stunde mit der Diskussion über die Frage, ob der Heilige das Kreuz oder die berühmten Schlüssel in der Hand halten sollte, aber dann entschieden sie sich für das Kreuz, weil es im Dämmerlicht besser zu sehen sein würde.
    Baudolino wartete nicht weit vom Tor entfernt. Er war sicher, dass es keinen Kampf geben würde, denn vorher würde jemand aus dem Tunnel herauskommen, um die Neuigkeit von der himmlischen Hilfe zu überbringen. Und tatsächlich, nach der Zeit, in der man drei Paternoster samt Ave und Gloria sprechen konnte, vernahm man aus dem Innern der Stadt einen großen Lärm, und eine übernatürlich klingende Stimme rief: »Zu den Waffen, zu den Waffen, meine getreuen Alexandriner!«, und ein Gewirr von irdischen Stimmen schrie durcheinander: »Das ist Sankt Peter, oh, oh, ein Wunder, ein Wunder!«
    Aber genau da ging etwas schief. Wie Baudolino später erfuhr, hatten sie Ditpold und die Seinen prompt ergriffen und dann alles getan, um sie zu überzeugen, dass ihnen Sankt Peter erschienen sei. Vermutlich wären auch alle darauf hereingefallen, nur nicht Ditpold, der ja wusste, auf welchem Wege die Nachricht von der Entdeckung des Tunnels zu ihm gelangt war und dem nun – dumm war er schon, aber so dumm nun auch wieder nicht – der Verdacht kam, er könnte von Baudolino genarrt worden sein. So

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