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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fühlte sich als die Verkörperung der göttlichen Gerechtigkeit selbst.«
    »Warum warst du nicht bei ihm?«
    »Weil er wirklich gut zu mir war. Er hatte verstanden, dass es für mich sehr schmerzlich sein musste, die strenge Bestrafung mit anzusehen, die er meinen Landsleuten zuverpassen gedachte, und so ermunterte er mich unter irgendeinem Vorwand, so lange fernzubleiben, bis Roboreto nur noch ein Haufen Asche sei. Verstehst du, er sagte weder Civitas Nova noch Alexandria, denn eine neue Stadt durfte ohne seine Erlaubnis nicht existieren. Er sprach noch von dem alten Dorf Roboreto, als ob es sich bloß ein bisschen vergrößert hätte.«
     
    Das war Anfang November. Aber der November war in jener Ebene eine Sintflut. Es regnete und regnete, und sogar die frisch bestellten Felder wurden zu Sumpf. Der Markgraf von Montferrat hatte Friedrich versichert, die Mauern der neuen Stadt seien aus Erde und ihre Bewacher ein Häuflein wild zusammengewürfelter Versprengter, die schon davonlaufen würden, wenn sie bloß den Namen des Kaisers hörten – statt dessen erwiesen sich diese Versprengten als gute Verteidiger und die Mauern als so hart, dass die kaiserlichen Rammen oder Widder sich die Hörner daran abstießen. Pferde und Soldaten steckten im Schlamm fest, und eines Tages gelang es den Belagerten sogar, den Lauf der Bormida umzuleiten, so dass die Elite der alemannischen Reiterei bis zum Hals darin versank.
    Schließlich brachten die Alexandriner eine Maschine zum Einsatz, die man so ähnlich schon in Crema gesehen hatte: ein hölzernes Gerüst, das auf der Mauerkrone befestigt wurde und aus dem sich ein langer schmaler Steg hervor schob, der schräg nach unten geneigt über den Köpfen der Feinde in der Luft hängen blieb. Über diesen Steg wurden Fässer gerollt, gefüllt mit trockenem Reisig und durchtränkt mit Öl, Speck, Schweinefett und flüssigem Pech, die man in Brand gesteckt hatte. Die Fässer kamen in rascher Folge und fielen auf die kaiserlichen Belagerungsmaschinen oder auf die Erde, wo sie als Feuerkugeln weiterrollten, bis sie an eine andere Maschine stießen und sie in Brand steckten.
    Von diesem Moment an bestand die Hauptarbeit der Belagerer darin, Wasser herbeizuschleppen, um die Brände zu löschen. Nicht dass es an Wasser gemangelt hätte, es gab das im Fluss und das im Sumpf und das, welches vomHimmel herunterkam, aber wenn alle Soldaten Wasser schleppen, wer soll dann die Feinde töten?
    So beschloss der Kaiser, den Winter damit zu verbringen, sein Heer wieder aufzufrischen, auch weil es schwierig ist, Mauern zu berennen, wenn man auf Eis ausrutscht oder im Schnee versinkt. Unglücklicherweise war auch der Februar in jenem Jahr bitterkalt, das Heer war entmutigt und der Kaiser noch mehr. Jener selbe Friedrich, der alte und kriegserfahrene Städte wie Tortona und Crema und sogar Mailand unterworfen hatte, versagte vor einer Ansammlung elender Hütten, die gerade erst durch ein Wunder Stadt geworden war und von Leuten bewohnt wurde, von denen Gott allein wusste, woher sie kamen und warum sie sich so für diese Bastionen einsetzten – die noch dazu vor ihrem Eintritt ins Dasein nicht einmal die ihren gewesen waren.
    Ferngeblieben, um nicht mit ansehen zu müssen, wie seine Landsleute niedergemetzelt wurden, beschloss Baudolino jetzt, sich hinzubegeben, aus Furcht, seine Landsleute könnten dem Kaiser etwas antun.
     
    Und so kam er nun erneut in die Ebene, in der sich jene Stadt erhob, die er noch im Bau gesehen hatte. Ringsum starrend von Bannern mit einem großen roten Kreuz auf weißem Grund, als wollten die Einwohner sich Mut machen, indem sie, Neulinge, die sie waren, die Wappen alten Adels vorzeigten. Vor den Mauern sah man eine Versammlung von Rammen, Wurfmaschinen und Katapulten, und dazwischen bewegten sich, gezogen von Pferden und geschoben von Männern, drei Belagerungstürme voran, hohe Holzgerüste, wimmelnd von lärmenden Menschen, die drohend die Fäuste in Richtung der Mauern schüttelten, als wollten sie sagen: »Jetzt kommen wir!«
    Zwischen diesen Türmen entdeckte Baudolino den Poeten, der geschäftig hin und her ritt mit der Miene dessen, der aufpasst, dass alles richtig abläuft. »Wer sind diese Irren da auf den Türmen?« fragte er ihn. »Genuesische Armbrustschützen«, antwortete der Poet, »die fürchterlichsten unter den Sturmtruppen in einer Belagerung, wie sie sein soll.«
    »Genuesische?« wunderte sich Baudolino. »Aber die Genueser haben doch zur Gründung der

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