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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Stadt beigetragen!« Der Poet lachte auf und sagte, allein in den vier oder fünf Monaten, seit er hier sei, habe er schon mehrere Städte die Fahne wechseln sehen. Tortona sei noch im Oktober auf Seiten der Liga gewesen, dann habe man gesehen, dass Alexandria sich besser hielt, als erwartet, habe zu fürchten begonnen, dass es zu stark werden könnte, und nun dränge ein großer Teil der Tortonesen darauf, dass ihre Stadt zum Kaiser überwechsle. Cremona war zur Zeit der Kapitulation Mailands auf Seiten Friedrichs gewesen, in den letzten Jahren war es zur Liga übergewechselt, aber jetzt verhandle es aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen mit den Kaiserlichen.
    »Und wie geht diese Belagerung voran?«
    »Schlecht geht sie voran. Entweder sind die dort drinnen gute Verteidiger, oder wir sind schlechte Angreifer. Wenn du mich fragst, diesmal hat Friedrich müde Söldner mitgebracht. Unzuverlässige Leute, die sich bei der ersten Schwierigkeit aus dem Staub machen, diesen Winter sind viele bloß wegen der Kälte abgehauen, und das waren Flamen, nicht etwa Mohren aus dem heißen Land, wo die Löwen sind. Und schließlich, im Lager sterben sie wie die Fliegen, an tausend Krankheiten, und drüben hinter den Mauern wird es nicht besser sein, denn allmählich müssten ihnen die Lebensmittel ausgehen.«
    Endlich begrüßte Baudolino den Kaiser. »Mein Vater, ich bin gekommen«, sagte er, »weil ich die Orte kenne und dir nützlich sein könnte.«
    »Ja«, sagte der Rotbart, »aber du kennst auch die Leute und wirst ihnen kein Leid antun wollen.«
    »Und du kennst mich und weißt, wenn du dich nicht auf mein Herz verlassen willst, kannst du dich auf meine Worte verlassen. Ich werde meinen Leuten kein Leid antun, aber ich werde dich nicht belügen.«
    »Im Gegenteil, du wirst mich belügen, aber du wirst auch mir kein Leid antun. Du wirst lügen, und ich werde vorgeben, dir zu glauben, weil du immer zu einem guten Zweck lügst.«
    Er war ein rüder Mensch, erklärte Baudolino, aber er konnte sehr geschliffen formulieren. »Kannst du verstehen, Kyrios Niketas, was ich damals empfand? Ich wollte nicht, dass er diese Stadt zerstörte, aber ich liebte ihn und wollte seinen Ruhm.«
    »Du hättest ihn nur zu überzeugen brauchen«, sagte Niketas, »dass sein Ruhm noch heller strahlen würde, wenn er die Stadt verschonte.«
    »Gott segne dich, Kyrios Niketas, du sprichst, als läsest du in meiner damaligen Seele. Genau mit diesem Gedanken im Kopf bin ich im folgenden zwischen Lager und Mauer hin- und hergependelt. Ich hatte mit Friedrich abgesprochen, dass ich Kontakte mit den Einheimischen herstellen sollte, so als wäre ich eine Art Botschafter, aber es war natürlich nicht allen klar, dass ich mich frei bewegen konnte, ohne Verdacht zu erregen. Am Hof gab es Leute, die mich um meine Vertrautheit mit dem Kaiser beneideten, wie der Bischof von Speyer und ein gewisser Graf Ditpold, den alle »die Bischöfin« nannten, vielleicht nur weil er blond und rosig wie ein Mädchen war. Womöglich hatte er gar nichts mit dem Bischof, ja er sprach sogar dauernd von einer gewissen Thekla, die er zu Hause im Norden gelassen habe. Wer weiß ... Er war hübsch, aber zum Glück war er auch dumm. Nun, und genau diese Leute ließen mich, auch dort im Lager, von ihren Spitzeln verfolgen, und dann gingen sie zum Kaiser und erzählten ihm, ich sei in der Nacht zuvor gesehen worden, wie ich zur Stadtmauer geritten sei und mit den Leuten drinnen geredet hätte. Zum Glück schickte der Kaiser sie fort, weil er wusste, dass ich mich bei Tag und nicht in der Nacht zu jener Mauer begab.«
    Kurzum, Baudolino begab sich zu jener Mauer, und auch hinein. Das erste Mal war es nicht leicht, denn als er sich dem Tor näherte, hörte er plötzlich Steine pfeifen – ein Zeichen dafür, dass sie in der Stadt anfingen, Pfeile zu sparen und statt dessen Steinschleudern zu benutzen, die sich seit der Zeit Davids als wirksam und billig erwiesen hatten. Er musste in perfektem Frascheta-Dialekt zu ihnen hinaufbrüllen und die unbewaffneten Hände weitschwenken, und zum Glück wurde er endlich von dem Trotti erkannt.
    »Oh, Baudolino«, rief der Trotti hinunter. »Kommst du, um dich uns anzuschließen?«
    »Spiel nicht den Ahnungslosen, Trotti, du weißt, dass ich auf der anderen Seite bin. Aber ich komme gewiss nicht mit bösen Absichten. Lass mich rein, ich möchte meinen Vater begrüßen. Ich schwöre dir bei der Heiligen Jungfrau, dass ich kein Wort sagen werde über

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